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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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und Mutter waren bei einer böhmischen Revolte umgekommen: »Oh, was haben sie von den lieben Kindern. In der Erde, so jung, so jung.« Böhmen hätte gelernt, sei still geworden. Während der bärtige Müller finster lachte, streichelte Grimmer die Hände des alten Weibchens: »Was willst du? Es ist ja alles wahr, was du sagst. Ich möchte es so gern glauben. Es hilft aber nichts.«
    Sie betrachtete ihn traurig: »Wie lange wirst du alter Mann noch herumlaufen; wirst ruhig sein wie ich.« »Ach, es hilft nicht, Weibchen, was du sagst. Du willst dich sterben legen. Alle wollen sich sterben legen. Bleibt doch leben, haltet euch steif.« »In der Bibel steht: meine Kraft ist in dem Schwachen mächtig.« »Ihr wollt sterben. Ihr könnt nichts als sterben.«
    Der Müller riß ihn, der versunken in der Hütte saß, mit sich fort, brüllte draußen: »Das Volk, Männer und Weiber, ist eins; träge und lahm. Wollt Ihr sie gründlicher studiert haben als wir.«
    Vor ihnen scholl das Gerücht: der Friedländer, des Kaisers Feldhauptmann, sei in Eger erschlagen auf kaiserlichen Befehl, seine Freunde, die hohen Offiziere, mit ihm. In Mies sollte er begraben sein, auf dem Boden seines ehemaligen Feldmarschalls von Ilow. In dem Ort suchte und suchte Grimmer, er wollte zu ihm auf die bewachte Grabstätte im Franziskanerkloster. Sie hielten sich lange hier auf. Und wie Weinbuch schon unwillig weiterdrängte, knarrten eines Mittags Reisewagen in das Dörfchen von Osten; eine edle noch junge Frau stieg herunter in grauer Kleidung des Leides, um die Stirn die Kreppbinde, vom Ärmel fiel der weiße Trauerstreifen; vier Frauen hinter ihr; Isabella, das Weib des toten Friedländers. Da vermochte Weinbuch den andern nicht von der Stelle zu bringen.
    Eine kleine Bande Klopffechter, Sankt Markus- und Lukasbrüder, trollte am selben Tage in das Dorf ein, die Kunst des Fechtens mit allen Gewehren zu zeigen; ein jovialer wohlgenährter Zahnbrecher und Steinbrecher war dabei, die beiden herumlungernden düsteren Tröpfe wurden von ihm erblickt, angelockt, zu seinen Schauprozeduren herangeholt; er fütterte sie.
    Aus dem dumpfigen Boden wurde der Körper, der ehemals sich mit dem Herzog Albrecht von Friedland, dem Böhmen von Wallenstein, bewegt hatte, geschaufelt: zwischen zwei dünnen Kiefernbrettern lag er geklemmt. Dorfbevölkerung hatte die Witwe aufgeboten zur Begleitung der Leiche über die Bannmeile; auf zwei Stangen trugen alte Bauern den Sarg, mit einer grauen Decke war er überhängt, damit man nicht sähe, daß dem zu langen Toten die Unterschenkel zerschlagen und umgebrochen waren.
    Armselig hinter den vier Mönchen zwischen den Bittfrauen und Groschenweibern die ganz verhängte Fürstin. Schritt, Schritt.
    Von weitem folgte Ferdinand, auf zwei Stöcken, die Kappe in der Hand, weinend, das vibrierende graue Gesicht von dem warmen Wasser gefühllos überlaufen.
    Weinbuch schimpfte über das Geplärr. Das Maul breitziehend ließ ihn der Müller, schlug sich zu den andern, die auf Kosten der Fürstin den Tod im Wirtshaus versoffen mit Bier und Rosmarinwein. Auf einen Leiterwagen lud man an der Wegkreuzung den Herzog; die Witwe fuhr hinterdrein, auf Gitschin zu, in die Kartause Walditz.
    Grimmer, dem ein stoppliger Backen- und Kinnbart gewachsen war, war von dem Tag an von einer sonderbaren Einsilbigkeit; sein Gesicht war unbeweglich. Er stand, als ein kläglicher kleiner Zug Flüchtlinge vor ihnen vorbeizog und der Müller die Arme ausstreckte und zu reden anfing, stumm und wartend abseits. Der Müller jauchzte die alten lockenden wilden Worte: »Nicht nachgeben! Beile genommen! Schlagt aus nach rechts, schlagt aus nach links! Gehämmert in die Mauern!« Die Flüchtlinge reckten die Arme wie er.
    »Was stehst du da?« fuhr ihn der Müller an, wie sie gingen, gefährlich. Still und ohne Klage sagte der andere: »Ich kann’s nicht. Ich bring’ es nicht heraus.« »Was bringst du nicht heraus. « »Ich kann nicht fluchen.« »Was bist du für einer. Du bist selbst angefressen. Legst dich selbst zum Sterben.« Es war mit Grimmer nichts anzufangen.
    Ferdinand hatte sich, als er unter die flutenden Menschenmassen geriet, überwältigen lassen. War dem Jammer, der ihm begegnete, unterlegen. In Graus und Reue hatte er geschrien: »Beile genommen! Beile! Nicht nachgeben!« Das schlief schmerzlich vor Wallensteins kläglichem Holzsarg ein.
    Und nun kam die Dunkelheit über ihn. Er wußte nicht, was wurde, aber er wartete. Ein großes
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