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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Autoren: Henning Mankell
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Nachbar, der sich erschossen hat. Ich habe euch gerufen.«
    Hemberg hob interessiert die Augenbrauen. »Hast du ihn gesehen?«
    »Wie, gesehen?«
    |25| »Hast du gesehen, wie er sich erschossen hat?«
    »Natürlich nicht.«
    »Wie kannst du dann wissen, daß es Selbstmord war?«
    »Die Waffe liegt neben der Leiche.«
    »Na und?«
    Wallander wußte nicht, was er antworten sollte.
    »Du mußt lernen, die richtigen Fragen zu stellen, wenn du als Kriminalpolizist arbeiten willst«, sagte Hemberg. »Ich habe schon genug Leute, die nicht richtig denken können. Noch einen von der Sorte kann ich nicht brauchen.«
    Doch dann schaltete er um und wurde freundlicher. »Wenn du sagst, daß es Selbstmord war, dann war es das wohl auch. Wo ist er?«
    Wallander zeigte auf die Tür. Sie gingen hinein.
    Wallander verfolgte Hembergs Arbeitsweise aufmerksam. Sah zu, wie er neben dem Körper in die Hocke ging und mit dem Arzt, der inzwischen eingetroffen war, über das Eintrittsloch der Kugel diskutierte. Betrachtete die Lage der Waffe, die Lage des Körpers, die Lage der Hand. Danach ging er in der Wohnung umher. Untersuchte die Schubfächer im Schreibtisch, die Kleiderschränke und die Kleidung.
    Nach einer knappen Stunde war er fertig. Er machte Wallander ein Zeichen, mit hinaus in die Küche zu kommen. »Es war bestimmt Selbstmord«, sagte Hemberg, während er zerstreut den Tippzettel glättete und studierte, der auf dem Tisch lag.
    »Ich habe einen Knall gehört«, sagte Wallander. »Das muß der Schuß gewesen sein.«
    »Etwas anderes hast du nicht gehört?«
    Wallander dachte, daß es am besten wäre, die Wahrheit zu sagen. »Ich habe einen Mittagsschlaf gemacht«, erwiderte er. »Der Knall hat mich geweckt.«
    »Und danach? Keine eiligen Schritte auf der Treppe?«
    »Nein.«
    »Hast du ihn gekannt?«
    Wallander erzählte das wenige, was er wußte.
    »Hatte er keine Angehörigen?«
    »Nicht soweit ich weiß.«
    |26| »Das finden wir schon heraus.«
    Hemberg saß einen Moment schweigend da.
    »Es gibt keine Familienbilder«, sagte er dann. »Weder auf der Kredenz da drinnen noch an den Wänden. Nichts in den Schubladen. Nur zwei alte Seemannsbücher. Das einzige von Interesse, das ich finden konnte, war ein bunter Käfer, der in eine Dose gestopft war. Größer als ein Baumschröter. Weißt du, was ein Baumschröter ist?«
    Wallander wußte es nicht.
    »Der größte schwedische Käfer«, erklärte Hemberg. »Aber er ist bald ausgerottet.«
    Er legte den Tippschein zur Seite. »Es gibt auch keinen Abschiedsbrief«, fuhr er fort. »Ein alter Mann hat von allem genug und verabschiedet sich mit einem Knall. Dem Arzt zufolge hat er gut gezielt. Mitten ins Herz.«
    Ein Polizist betrat die Küche und reichte Hemberg eine Brieftasche. Hemberg öffnete sie und nahm einen Ausweis heraus.
    »Artur Hålén«, sagte er. »Geboren 1898.   Er hatte viele Tätowierungen, wie es sich für einen Seemann vom alten Schlag gehörte. Weißt du, was er auf See gemacht hat?«
    »Ich glaube, er war Maschinist.«
    »In einem seiner Seemannsbücher wird er als Maschinist bezeichnet, in einem anderen als Matrose. Er hat also verschiedene Arbeiten an Bord erledigt. Einmal war er in ein Mädchen verliebt, das Lucia hieß. Den Namen hatte er auf die rechte Schulter und auf die Brust tätowiert. Man könnte fast annehmen, daß er sich symbolisch direkt durch diesen Namen erschossen hat.«
    Hemberg steckte den Ausweis und die Brieftasche in seine Aktenmappe.
    »Der Gerichtsmediziner hat natürlich das letzte Wort«, sagte er, »und wir können eine Routineuntersuchung der Waffe und der Kugel vornehmen, aber ich denke schon, daß es Selbstmord war.«
    Hemberg warf noch einmal einen Blick auf den Tippschein.
    »Von Fußball hatte Artur Hålén nicht besonders viel Ahnung«, überlegte er. »Wenn er mit diesem Schein hier gewonnen hätte, wäre er wahrscheinlich der einzige Gewinner gewesen.«
    Hemberg stand auf. Gerade wurde der Leichnam abtransportiert. |27| Die überdeckte Bahre wurde vorsichtig durch den engen Flur manövriert.
    »Es kommt immer häufiger vor«, sagte Hemberg nachdenklich, »daß alte Menschen ihrem Leben selber ein Ende setzen. Aber nicht besonders häufig mit einer Kugel. Und erst recht nicht mit einem Revolver.«
    Er betrachtete Wallander plötzlich aufmerksam. »Aber daran hast du natürlich schon gedacht.«
    Wallander war überrascht. »Woran?«
    »Wie merkwürdig es ist, daß er einen Revolver besaß. Wir sind seinen Schreibtisch
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