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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga
Autoren: Henning Mankell
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das?«
    »Daß sie wahrscheinlich schon ziemlich lange tot sind. Dann ist es nämlich schwieriger, den genauen Zeitpunkt ihres Todes festzustellen.«
    »Zwei Tage? Drei? Eine Woche?«
    »Das kann ich so nicht sagen«, wehrte Mörth ab. »Und ich will nicht raten.«
    |25| Mörth verschwand im Obduktionssaal. Wallander zog seine Jacke aus, streifte sich Gummihandschuhe über und begann, die Kleider der Toten zu durchsuchen, die auf einem Tisch ausgebreitet lagen, der aussah wie eine altertümliche Spüle.
    Der eine Anzug war in England hergestellt worden, der andere in Belgien. Die Schuhe kamen aus Italien, und Wallander glaubte erkennen zu können, daß sie teuer waren. Hemden, Krawatten und Unterwäsche sprachen dieselbe Sprache. Sie waren von bester Qualität. Als Wallander die Kleider zweimal durchsucht hatte, stellte er fest, daß sie praktisch keine Spuren trugen, die ihn weiterführten. Er hatte lediglich herausbekommen, daß die Toten anscheinend gut bei Kasse gewesen waren. Aber wo waren ihre Brieftaschen? Eheringe? Uhren? Noch verwirrender war die Tatsache, daß beide ohne ihre Jacketts erschossen worden waren. Es ließen sich keine Löcher oder Pulverspuren an ihren Sakkos erkennen.
    Wallander versuchte, das Ganze vor sich zu sehen. Jemand schießt zwei Männern direkt ins Herz. Dann zieht der Täter ihnen ihre Jacken an und verfrachtet sie in ein Rettungsboot. Warum?
    Er durchsuchte noch einmal die Kleider. Es gibt etwas, das ich nicht sehe, dachte er. Rydberg, hilf mir.
    Aber Rydberg blieb stumm. Wallander kehrte zum Polizeipräsidium zurück. Er wußte, daß die Obduktionen viele Stunden dauern würden. Einen vorläufigen Bericht würde er frühestens am nächsten Tag in die Finger bekommen. Auf seinem Schreibtisch lag eine Mitteilung von Björk, daß sie seiner Meinung nach mit der Einschaltung von Interpol noch etwas warten konnten. Wallander verspürte eine gewisse Irritation. Es fiel ihm oft schwer, Björks übertrieben vorsichtiges Vorgehen nachzuvollziehen.
    Die Besprechung um sechs war kurz. Martinsson berichtete, daß keine Suchmeldung oder Fahndung nach Männern vorlag, die mit den Toten im Schlauchboot zu tun haben |26| konnte. Svedberg hatte längere Zeit mit einem Meteorologen beim Wetterdienst in Norrköping telefoniert, der versprochen hatte, ihnen zu helfen, sobald ihm eine offizielle Anfrage der Ystader Polizei vorlag.
    Wallander berichtete, daß beide Männer ermordet worden waren, wie er bereits vermutet hatte. Er bat Svedberg und Martinsson, sich Gedanken zu machen, warum man zwei Toten ihre Jacketts anzieht.
    »Wir machen noch ein paar Stunden weiter«, beendete Wallander die Besprechung. »Falls ihr gerade andere Fälle bearbeitet, legt sie zur Seite oder übergebt sie einem anderen. Das hier ist ein harter Brocken. Ich sorge dafür, daß die Ermittlungsgruppe gleich morgen erweitert wird.«
    Als Wallander allein war, rollte er die Seekarte auf dem Tisch aus. Er zeichnete mit dem Finger die Küstenlinie bis Mossby Strand nach. Das Boot kann weit getrieben sein, dachte er. Oder nur eine kurze Strecke. Es kann vor und zurück getrieben sein. Mal hierhin, mal dorthin.
    Das Telefon klingelte. Einen kurzen Moment zögerte er, ob er überhaupt abnehmen sollte. Es war schon spät, und er wollte nach Hause, um die Ereignisse in aller Ruhe überdenken zu können. Dann nahm er doch den Hörer ab.
    Es war Mörth.
    »Bist du schon fertig?« fragte Wallander erstaunt.
    »Nein«, antwortete Mörth. »Aber es gibt etwas, das mir wichtig erscheint. Etwas, das ich schon jetzt sagen kann.«
    Wallander hielt gespannt den Atem an.
    »Diese beiden Männer sind keine Schweden«, fuhr Mörth fort. »Auf jeden Fall sind sie nicht in Schweden geboren.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe in ihre Münder geschaut«, erwiderte Mörth. »Und ihre Plomben sind nicht von einem schwedischen Zahnarzt. Eher von einem russischen.«
    »Einem russischen?«
    »Ja. Von einem russischen Zahnarzt. Auf jeden Fall von |27| einem Zahnarzt aus dem Ostblock. Die arbeiten mit ganz anderen Methoden als wir.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Sonst hätte ich nicht angerufen«, erwiderte Mörth, und Wallander bemerkte einen unwirschen Klang in seiner Stimme.
    »Ich glaube dir ja«, pflichtete er schnell bei.
    »Da ist noch etwas«, fuhr Mörth fort. »Was vielleicht mindestens genauso wichtig ist. Die beiden Männer waren vermutlich recht froh, daß sie erschossen wurden – wenn du den Zynismus entschuldigst. Sie wurden nämlich
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