Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition)
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
Ich weiß, sie helfen denen, die zurückbleiben. Doch was ich Euch sagen kann, ist, dass wir selbst die Verantwortung tragen für unser Tun. Gott hat uns den Verstand gegeben, Gut und Böse zu erkennen, und die Freiheit, sich für das eine oder andere zu entscheiden.«
    »Ich bin froh, dass du so ehrlich zu mir bist, Waldo«, antwortete sie. »Mein Gemahl Ladislaus würde mich für eine Ketzerin halten, wüsste er um meine Zweifel. Er führt schon jetzt das Leben eines Heiligen.« Sie sagte das ohne jeden Vorwurf.
    »Zweifler sind wir dann wohl beide«, erwiderte ich.
    Wir haben in dieser Nacht noch lange und über vieles miteinander gesprochen. Aus ihren Worten konnte ich jedoch nicht heraushören, ob sie in dem fernen Land glücklich geworden war, in dem sie lebte. Manchmal klang ihre Erzählung, als spreche sie nicht von sich selbst, sondern von einer dritten Person. Sie tat ihre Pflicht. Aber ich glaube, sie fühlte sich einsam und hatte Heimweh, Sehnsucht nach einer Zeit, die für immer vorbei war.
    Und dann zeigte ich ihr das Schwert, erzählte seine Geschichte und die meine. Gemeinsam bewunderten wir die große Kunst des Schmiedes, der es geschaffen hatte. Doch ich spürte keine Freude, es endlich in Händen zu halten und berühren zu können. Ich hatte nicht das Gefühl, endlich eine lange Suche beendet und eine Aufgabe erfüllt zu haben, die mich mein Leben lang begleitet hatte. Das Schwert war nichts als ein Schwert. Eine schöne, alte Waffe. Die Waffe, die Rudolf von Rheinfelden getötet hatte.
    Gemeinsam öffneten seine Tochter Adelheid und ich schließlich den Griff, um jene Stücke vom Kreuz des Erlösers zu sehen, die in ihm verborgen sein sollten.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis wir den Öffnungsmechanismus herausgefunden hatten. Die Schwierigkeit lag darin, dass die Anordnung so einfach war. Oben, auf dem Griff des Schwertes, dort, wo die Rose eingeprägt war, hatte der Schwertgriff einen schmalen Rand, der wie eine Verzierung aussah. Wir hatten schon mehrmals darauf herumgedrückt und gezogen. Dann versuchte ich es noch einmal. Und plötzlich bewegte sich dieser Rand und ich hatte den oberen, wie eine Halbkugel geformten Teil des Knaufes in der Hand. Er lag in meiner Handfläche, die Rose nach oben, wie eine Brosche, die an ein Gewand geheftet werden soll. Danach konnte ich ganz leicht die eine Seite des Griffs nach oben ziehen. Die Hälften und das Oberteil waren lediglich ineinandergesteckt, aber so sorgsam gearbeitet, dass nichts die Absicht des Schmiedes erkennen ließ.
    Dann fielen die Splitter in Adelheids Schoß. Es waren ein kleines und ein sehr großes Holzstück. Das große hatte einige dunkle Flecken. Man erkannte sie erst bei genauerem Hinsehen. Doch sonst sahen sie einfach aus wie altes Holz. Ich hielt den großen Splitter lange in meiner Hand. Aber Gott sprach nicht zu mir.
    Adelheid muss wohl ähnlich empfunden haben. »Behalte ihn, Waldo«, bat sie mich, als ich ihn ihr reichen wollte.
    »Erfülle dein Versprechen, bringe die Reliquie nach St. Blasien in das Haus des Herrn. Du hast recht. Dort gehört sie hin. Und mein Vater hat es vor seinem Tod auch so gewollt. Ich werde dir genügend Mittel für diese Reise mit auf den Weg geben und einen Brief an Giselbertus, den Vater Abt. Dann kann der Splitter in ein Kreuz gefasst werden. Auch auf diese Weise wird sich immer jemand an das Haus Rheinfelden erinnern, obwohl es durch die schwere Verletzung meines Bruders Berthold und mit dem Tod meines Vaters nun für immer erloschen ist.«
    »Das ist es nicht«, widersprach ich heftig. »Durch eure Kinder und die Eurer Schwester Agnes wird das Geschlecht der Rheinfelder weiterleben. «
    »Wir Frauen zählen nicht«, antwortete sie leichthin.
    »Den kleinen Splitter lass mir, ich bitte dich darum«, fügte sie hinzu. »Er ist wie der in meinem Herzen. Ich glaube nicht, dass es noch viel gibt, was der Fluch, der vielleicht an ihm haftet, mir noch antun kann.«
    »Und was machen wir mit dem Schwert? «
    »Ich will diese Waffe nicht, die meinen Vater tötete, mag sie auch noch so wertvoll sein. Dieses Schwert erfüllt mich mit Ekel und Entsetzen.«
    Das waren auch meine Empfindungen. Da fielen mir die Gesandten des englischen Königs Wilhelm wieder ein. Ich erzählte Adelheid davon.
    »Gut, dann ist die Sache entschieden«, meinte sie darauf. »Wilhelm soll sein Schwert zurückbekommen. Ich werde es mit nach Ungarn nehmen. Mein Gemahl kann es dann für ihn auf den Weg bringen. Weiß er von den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher