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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Autoren: Henry David Thoreau
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Leben dazu verwenden sollte. Er ging sogleich in den Wald, da er fest entschlossen war, den Stab nicht aus ungeeignetem Material herzustellen. Und während er suchte, einen Stock nach dem anderen als untauglich verwarf, verließen ihn allmählich seine alten Freunde, denn älter wurden sie bei ihrer Arbeit und starben. Er aber alterte nicht um einen Augenblick. Die Einfalt seines Vorhabens und seines Entschlusses und seine erhabene Frömmigkeit verliehen ihm gegen sein Wissen ewige Jugend. Da er mitder Zeit kein Abkommen getroffen hatte, ging die Zeit ihm aus dem Wege und seufzte von fern, weil sie ihn nicht besiegen konnte. Ehe er einen Stab gefunden hatte, der ihm in jeder Weise zusagte, war die Stadt Kouroo bereits zur moosbewachsenen Ruine geworden. Auf einen ihrer Trümmerhaufen setzte er sich nieder, um den Stab abzuschälen. Noch bevor er ihm die gewünschte Form gegeben hatte, war das Herrscherhaus der Kandahare ausgestorben. Er aber schrieb mit des Stabes Spitze den Namen des letzten Königs aus diesem Geschlecht in den Sand. Dann setzte er seine Arbeit fort. Als er den Stab gesäubert und geglättet hatte, war Kalpa nicht mehr der Polarstern. Und ehe er den Stab beschlagen und seinen Griff mit kostbaren Steinen verziert hatte, war Brahma viele Male entschlummert und wiedererwacht. Doch wozu soll ich bei diesen Dingen verweilen? Als er die letzte Hand an sein Werk gelegt hatte, dehnte es sich plötzlich vor den Augen des erstaunten Künstlers aus und ward zu Brahmas herrlichster Schöpfung. Eine neue Weltordnung hatte er geschaffen, indem er den Stab bearbeitete, eine Welt des schönsten Ebenmaßes, in welcher schönere und glorreichere Städte und Herrscherhäuser die alten entschwundenen ersetzten. Und jetzt sah er an dem Haufen der Späne, die zu seinen Füßen lagen, daß bislang das Verrinnen der Zeit eine Täuschung gewesen sei, daß nicht mehr Zeit vergangen war, als ein Funke gebraucht, um von Brahmas Gehirn herabzufallen und den Zunder des Menschengehirns in Brand zu setzen ... Das Material war rein und seine Kunst war rein. Wie konnte das Resultat anders sein als wundervoll?
     
    Kein Aussehen, das wir einer Sache geben können, wird uns schließlich so viel nützen als die Wahrheit. Sie allein trägt sich gut. Meistens sind wir nicht dort, wo wir sind, sondern in falscher Lage. Einer Schwäche unserer Natur folgend, nehmen wir einen Fall an, und versetzen uns in ihn hinein. Darum befinden wir uns in zwei Fällen zugleich und doppelt schwer ist's, aus ihnen herauszukommen. Bei gesundem Verstande betrachten wir nur die Tatsache, den gegebenen Fall. Rede, was Du reden mußt, nicht was Du reden sollst. Jede Wahrheit ist besser als Ausflüchte. Tom Hyde, der Kesselflicker,stand unter dem Galgen und wurde gefragt, ob er noch etwas zu sagen habe. Da antwortete er: "Sagt den Schneidern, daß sie einen Knoten in den Zwirn machen, bevor sie den ersten Stich tun." Die Bitte seines Gefährten ist nicht überliefert.
     
    Wie niedrig auch Dein Leben sein mag: heiße es willkommen und lebe es. Meide es nicht und schimpfe nicht darauf. Es ist nicht so schlecht wie Du. Es sieht am ärmsten aus, wenn Du am reichsten bist. Wer immer tadelt, wird auch am Paradies etwas auszusetzen haben. Liebe Dein Leben, so arm es auch ist. Du kannst vielleicht erfreuliche herrliche, ja feierliche Stunden erleben, selbst in einem Armenhause. Die Fenster des Armenhauses und die in des Reichen Palast strahlen gleich hell die sinkende Sonne zurück. Vor des reichen Mannes Tür schmilzt der Schnee im Frühling zur selben Zeit. Ich verstehe nicht, warum ein zufriedenes Gemüt hier nicht gerade so zufrieden leben, gerade so fröhliche Gedanken haben kann, wie in einem Palast. Die Stadtarmen scheinen oft das unabhängigste Leben von allen zu führen. Vielleicht sind sie gerade stolz genug, um ohne Bedenken annehmen zu können. Die meisten sind der Ansicht, es sei unter ihrer Würde, von der Stadt unterstützt zu werden. Häufiger aber halten sie es nicht für unwürdig, sich selbst durch unehrliche Mittel zu unterhalten – und das sollte man denn doch als das Gemeinere ansehen. Pflege die Armut wie eine Gartenpflanze, wie Salbei. Sei nicht so sehr darauf bedacht, Dir neue Sachen anzuschaffen, weder Kleider noch Freunde. Wende die alten! Kehre zu ihnen zurück! Die Dinge ändern sich nicht – wir ändern uns. Verkaufe Deine Kleider und behalte Deine Gedanken. Gott wird schon dafür sorgen, daß es Dir an Gesellschaft nicht mangelt. Wenn
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