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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Autoren: Henry David Thoreau
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führt, sondern die auf der direkten Tangente dieser Erdkugel verläuft. Dort ziehe Deines Wegs Sommer und Winter, Tag und Nacht, beim Untergang der Sonne und des Mondes – ja selbst beim Untergang der Erde!
     
    Es wird berichtet, daß Mirabeau Straßenräuberei trieb, "um genau zu erfahren, welches Quantum Entschlossenheit notwendig sei, um gegen eines der heiligsten Gesetze der menschlichen Gesellschaft nachdrücklich Opposition zu machen." Er erklärte dann, daß "ein Soldat, der in Reih und Glied kämpft, nicht halb soviel Mut nötig habe wie ein Straßenräuber" – "daß Ehre und Religion einenwohlüberlegten und festen Entschluß nicht ins Wanken zu bringen vermöchten." Das war männlich nach landläufigen Anschauungen, und doch war es töricht, ja geradezu toll. Ein gesunder Mann wird sich oft "nachdrücklich in Opposition" zu dem befunden haben, was "als die heiligsten Gesetze der menschlichen Gesellschaft" geschätzt wird, weil er noch heiligeren Gesetzen gehorchen wollte. So kann er, ohne von seinem geraden Wege abzuweichen, seine Entschlossenheit erproben. Es geziemt sich nicht für einen Mann, sich in ein solches Verhältnis zur menschlichen Gesellschaft hineinzuzwingen, sondern in jenen Verhältnissen mutig sich zu behaupten, welche er sich selbst, gehorsam den Gesetzen seines Lebens, schuf. Und diese Gesetze werden mit einer gerechten Regierung nie in Konflikt geraten, wenn er zufällig unter einer solchen leben sollte.
     
    Der Anlaß, der mich in die Wälder führte, war ebenso triftig wie der, welcher mich zum Fortgehen bewog. Vielleicht glaubte ich, daß ich noch verschiedene Leben zu leben habe und auf dieses keine Zeit mehr verwenden dürfe. Es ist merkwürdig, wie leicht und unmerklich wir einen bestimmten Weg einschlagen und einen ausgetretenen Pfad für uns selbst daraus machen. Ich wohnte noch nicht eine Woche lang am Walden, da hatten meine Füße schon einen Weg von meiner Tür zum Teichufer ausgetreten. Und jetzt, wo schon fünf oder sechs Jahre über meine Fußstapfen dahingezogen sind, ist er noch ganz deutlich sichtbar. Ich fürchte indessen, andere haben ihn nach mir benutzt und dadurch zu seiner Erhaltung beigetragen. Die Oberfläche der Erde ist weich und nimmt leicht den Eindruck der Menschenfüße an. Das gilt auch von den Pfaden, auf denen der Geist dahinwandert. Wie abgenutzt und verstaubt müssen mithin die Landstraßen der Welt sein, wie tief die Geleise der Überlieferung und Einförmigkeit! Ich wollte nicht als Kajütenpassagier reisen. Lieber war es mir, vor dem Mast und auf dem Deck der Welt zu stehen. Ich will auch jetzt nicht unter Deck gehen.
     
    Das eine wenigstens lernte ich durch mein Experiment, daß, wenn der Mensch vertrauensvoll in der Richtung seiner Träume fortschreitet, wenn er sich bemüht, das Leben zu leben, welches die Phantasieihm ausmalt, Erfolge von ihm erzielt werden können, von denen er sich in Alltagsstunden nichts träumen ließ. Manche Dinge wird er aufgeben, eine unsichtbare Grenze wird er überschreiten. Neue, universelle und freiere Gesetze werden in ihm und um ihn herum Wurzel fassen. Oder die alten Gesetze werden umfassender, zu seinen Gunsten im freieren Sinne gedeutet werden, und es wird ihm vergönnt sein, unter Geschöpfen höherer Ordnung zu leben. Je mehr er sein Leben vereinfacht, desto weniger schwierig werden die Gesetze des Kosmos ihm erscheinen. Einsamkeit wird nicht Einsamkeit, Armut nicht Armut und Schwäche nicht Schwäche sein. Hast Du Schlösser in die Luft gebaut, so war diese Arbeit nicht notwendigerweise vergeblich. Gerade dort sollen sie sich befinden! Jetzt gib ihnen ein Fundament.
     
    Es ist lächerlich, wenn Engländer und Amerikaner verlangen, man solle so reden, daß man von ihnen verstanden wird. So sind weder Menschen noch Pilze gewachsen. Als ob das überhaupt von Wichtigkeit wäre, und als ob es nicht außer ihnen genug Menschen gäbe, die uns verstehen. Als ob die Natur nur ein einziges Verständigungsmittel besäße, als ob sie nicht Vögel gerade so gut wie Vierfüßler, fliegende wie kriechende Geschöpfe ernähren könnte, und als ob "Hott" und "Hüh", was jeder Ochse verstehen kann, das beste Englisch wäre. Als ob die Dummheit allein Gewähr für Sicherheit leisten könne! Ich befürchte hauptsächlich, daß meine Ausdrücke nicht ausschweifend genug sind, nicht weit genug über die engen Grenzen meiner täglichen Erfahrung hinaus reichen, um der Wahrheit zu entsprechen, von der ich überzeugt bin.
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