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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis
Autoren: Sarah Stoffers
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hatten sich steile Falten in sein spitzes Gesicht gegraben. Sie hatten die hohen Wangenknochen und die schmale Nase noch schärfer hervorgehoben. Sein mausbraunes Haar war mit eisernen Strähnen gemasert. Es wich ihm an den Schläfen zurück und unterstrich so das Schädelhafte seiner Züge. Allein seine Augen waren die eines jungen Mannes geblieben, hellwach, von einem blassen Blau und stechend scharf. Er erinnerte Jane an einen verletzten Geier, den sie einmal in der Wüste gefunden hatte, und er sah sie an, als wäre sie eine Wühlmaus, die sich leichtfertigerweise aus ihrem Bau hervorgewagt hatte. Sein Blick wanderte von ihrem Scheitel das zerknitterte Kleid hinab bis zu den verdreckten Stiefeln. Auf dem Rückweg aufwärts zu ihrem Gesicht glitt seine linke Augenbraue wortlos in die Höhe. Der Butler Maxwell Frost verfügte über das außerordentliche Talent, seinem Missfallen Ausdruck zu verleihen, ohne dass ihm dabei ein Laut über die Lippen kam. Doch selbst wenn er sich artikulierte, tat er das äußerst sparsam. »Du hast hier nichts verloren!«, teilte er Jane kategorisch mit. »Verschwinde, bevor ich dich davonjagen lasse.«
    Sein Blick, die Art, wie er auf sie herabsah, und die sehr leise, perfekte Artikulation der Worte gaben Jane das Gefühl, unter seinen Augen zu schrumpfen. Doch sie war Missachtung gewöhnt und entschlossen, sich davon nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Stattdessen öffnete sie ihre Tasche und zog umständlich den Brief hervor.
    »Ich habe eine Nachricht zu überbringen«, erklärte sie höflich, aber unnachgiebig. »An Charles Goodall!«
    Seinem Gesichtsausdruck zufolge war das äußerst unwahrscheinlich, dennoch ließ er sich zu einer Antwort herab. »Geh hinten herum, zum Lieferanteneingang«, wies der Butler Jane an. »Klingel dort und fasse dich in Geduld. Und kehre nie wieder zu dieser Tür hier zurück!« Mit diesen Worten schlug er sie dem Mädchen zur Veranschaulichung vor der Nase zu.
    Während Jane Swain auf den Stufen zurückblieb und Mr Frost mit den lautlosen Schritten eines hingebungsvollen Dieners wieder in den Tiefen des Hauses verschwand, begann sich das Leben in Wainwood House zu regen. Natürlich schliefen die Herrschaften zu dieser Zeit noch ungestört in ihren Betten. In ihren Kaminen waren noch keine neuen Feuer entzündet worden und die Vorhänge vor ihren Fenstern sperrten den Tag aus. Und selbstredend waren die Küchenmädchen bereits vor geraumer Zeit als Erste aufgestanden, um den Abwasch des Abendessens in die Schränke zu räumen und frisches Wasser hereinzutragen. Die Freitreppe, die Jane nun gezwungen war, wieder hinabzugehen, war bereits in der Dämmerung gefegt worden. Im Untergeschoß brannten mit rußiger Flamme die Gaslampen und verbreiteten in den kahlen Gesinderäumen einen gelblichen Schein. Der jüngste Hausbursche hatte Eimer mit Kohlen bereitgestellt und wienerte eben das letzte Paar Schuhe. Nachdem diese niedersten Arbeiten getan waren, kam nun endlich das dienstälteste Gesinde aus seinen Kammern, um dem Herrenhaus Leben einzuhauchen. Maxwell Frost hatte schweigsam seine täg liche Runde durch das gesamte Haus begonnen, um Fensterläden zu öffnen und Türen aufzusperren. Die Wirtschafterin bekam den ersten Tee des Tages serviert. Der Gärtner lieferte der Köchin das frisch geerntete Gemüse in die Küche. Ihr allmorgendlicher Streit über den Reifegrad und die Auswahl seiner Fracht hallte den gesamten Kellerkorridor hinab bis in die Unterkünfte der männlichen Dienstboten. Er vermischte sich mit dem Scheppern der Töpfe und Kessel aus der Küche und dem Quietschen der Wasserpumpe im Hof.
    Obwohl Samuel nur jedes zweite Wort verstand, konnte er problemlos zwischen dem schneidenden Tonfall der Köchin und der geknurrten Antwort des obers ten Gärtners unterscheiden. Ihre Stimmen drangen durch die letzten Fetzen eines wirren Traumes, den er nicht mehr zu halten vermochte. Trotz des Lärms hielt er die Augen beharrlich geschlossen, um den Anbruch des Tages in der behaglichen Wärme seines Bettes noch ein wenig länger hinauszuzögern. Doch auch ohne hinzusehen hörte er, wie August, der erste Hausdiener, aufstand. Samuel kannte jeden Handgriff, der nun folgte. Es handelte sich um eine ewig gleiche Routine. August wusch sich als Erster und legte dann die schlichtere Tages livree an. Zuletzt warf er einen prüfenden Blick in den Spiegel, um sich davon zu überzeugen, dass seine Haare tadellos lagen und jede Naht des dunklen Anzugs an der
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