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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
Autoren: Jodi Picoult
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Erinnerung also keine Scheinerinnerung. Es gibt sie wirklich, und sie hat nur auf den richtigen Moment der Befreiung gewartet.«
    »Das ist korrekt.«
    »Können Sie uns ein Beispiel nennen?«
    »Ein Mensch hört einen Schuß in nächster Nähe und erinnert sich plötzlich an einen Schuß viele Jahre zuvor, der seinen Vater tötete, als er direkt neben ihm stand.«
    »Würden Sie nicht auch sagen, daß dieses Szenario starke Ähnlichkeit damit hat, wie Delia Hopkins ihre Erinnerungen wiedergewonnen hat, Dr. Rebbard?« Die Psychiaterin nickt. »Und wäre es nicht denkbar, daß es einen Ort gibt, an den sich eine Erinnerung zurückzieht, bis sie bereit ist, sich wieder zu zeigen -aus welchen Gründen auch immer? Daß das Wiedergewinnen einer Erinnerung keine Neuschöpfung ist, sondern eher ... ein Such- und Rettungseinsatz?«
    Meine Wortwahl ist natürlich eine Hommage an Delia. »Könnte man so sagen, Mr. Talcott.«
    Ich atme tief durch. »Keine weiteren Fragen.«
    Emma erhebt sich erneut. »Falls Ms. Hopkins, wie die Verteidigung uns glauben machen will, Erinnerungen an traumatische Kindheitserlebnisse wiedergewann, als es den entsprechenden Auslöser gab, wie beispielsweise die Aussage vor Gericht, wäre dann nicht zu vermuten, daß sie auf ähnliche Auslöser ebenso reagieren würde?«
    »Theoretisch ja«, bestätigt Dr. Rebbard.
    »Aber warum hat dann nicht eine ganze Flut von Erinnerungen an ihre Entführung bei ihr eingesetzt?« will Emma wissen, während ich schon Einspruch erhebe. »Keine weiteren Fragen.«
    Ich gehe schon wieder auf Dr. Rebbard zu. »Was, wenn es nicht traumatisch war?« frage ich.
    »Ich weiß nicht, was Sie ...«
    »Was, wenn die Entführung für Delia nichts Beängstigendes hatte? Was, wenn sie eine Erlösung für das Kind war, ein Ausweg aus dem sexuellen Mißbrauch? In dem Fall hätte die Aussage ihres Vaters doch nicht notwendigerweise eine Erinnerung an die Entführung auslösen müssen, hab ich recht?«
    Diesmal lächelt mich Dr. Rebbard richtig an. »Ich denke ja, Mr. Talcott.«
    Emma zeigt mir gerade Fotos von ihrem Sohn, als der Richter mit seiner Entscheidung zurückkommt. »Es geht hier um die Frage, ob wir Ereignisse vergessen können, die stattgefunden haben«, beginnt Richter Noble, »und ob wir uns an Ereignisse erinnern können, die nicht stattgefunden haben. Klar ist, daß wir es mit einem ausgesprochen brisanten Thema zu tun haben. Ganz gleich, wie meine Entscheidung ausfällt, und ganz gleich, was wir den Geschworenen sagen, wir müssen uns mit einer Situation auseinandersetzen, in der es den Geschworenen schwerfallen wird, ihre Gefühle von den zur Debatte stehenden Ereignissen zu lösen.« Er sieht Emma an. »Es wäre verhängnisvoll für diesen Prozeß, eine weitere Lüge von Andrew Hopkins zu glauben. Und wie die Dinge liegen, sind die Beweise nicht überzeugend genug, um zugelassen zu werden.«
    Dann wendet er sich an mich. »Ich treffe hier eine juristische Entscheidung, emotionale kann ich nämlich nicht treffen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß meine Entscheidung Sie nicht gerade glücklich macht. Aber vergessen Sie nicht, daß ich zwar bestimmen kann, was von nun an passiert, daß ich aber nicht zurücknehmen kann, was bereits gesagt wurde. Mag sein, daß die Richter in New Hampshire das nicht so offen aussprechen, aber wir in Arizona tun das. Und eins will ich Ihnen sagen, Mr. Talcott, Sie denken vielleicht, Ihr Fall hängt einzig und allein von der Zulassung dieser Beweise ab, aber ich rechne damit, daß Sie auch ohne gut zurechtkommen werden.«
    Er steht auf und geht, dicht gefolgt von Emma. Ich bleibe einen Moment im leeren Gerichtssaal sitzen. Früher wäre ich jetzt nach Hause gefahren und hätte Delia erzählt, daß ich die Anhörung verloren habe. Ich hätte Wort für Wort wiederholt, was der Richter gesagt hat, und ich hätte sie gefragt, was sie davon hält. Wir hätten meinen Auftritt lang und breit analysiert, bis sie schließlich irgendwann die Hände in die Luft geworfen und gesagt hätte, daß wir so nicht weiterkommen.
    Sie wird heute abend nicht da sein, vermute ich. Und wir kommen immer noch nicht weiter.

ANDREW
    Kurz bevor die Türen des Gerichtssaals geschlossen werden, kommt Delia noch herein. Sie trägt ein gelbes Kleid und hat ihr dunkles Haar hochgebunden. Ich muß an eine Sonnenblume denken. Es gibt so viel, das ich ihr sagen will, aber das tue ich lieber hinterher. Dann habe ich wahrscheinlich noch einen Grund mehr, ihr zu sagen, daß
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