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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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Anzeigen hingegen vermochte sie nie eine Strafbarkeit zu erkennen. Von sich aus wurde sie ohnehin nicht tätig.
    Nach einer Lesung in München sprach mich eine Dame an, die mir erzählte, ihr Mann sei früher als Staatsanwalt mit einer spektakulären Affäre befasst gewesen. Er sei damals zu Hause im Wohnzimmer auf und ab gelaufen und habe gesagt: »Ich müsste Strauß anklagen, ich müsste Ludwig Huber anklagen.« Er habe es aber nicht getan. Sie könne bestätigen, welchem Druck Staatsanwälte von oben her ausgesetzt seien.
    Trotz des Verlusts der absoluten CSU- Mehrheit der bei der Landtagswahl 2008 hat sich nichts wesentlich an der Strafverfolgung und Haftung von Spitzenpolitikern geändert. Allerdings gab es einige Breschen. Dafür stehen insbesondere die desaströsen Vorgänge um den Kauf der Hypo-Alpe-Adria-Bank und den Kauf minderwertiger US-Wertpapiere in Milliardenhöhe durch die Bayerische Landesbank. Da wurde plötzlich der ehemalige, früher allmächtige Ministerpräsident Edmund Stoiber stundenlang von der Staatsanwaltschaft vernommen. Auch die ehemaligen Minister Kurt Faltlhauser, Günther Beckstein und Erwin Huber mussten sich Verhören stellen. Staatsanwälte drangen in Sanktuarien ein wie die Staatskanzlei, das Finanzministerium und das Wirtschaftsministerium und beschlagnahmten Akten. All das wäre früher undenkbar gewesen. Dass es freilich zu keinen Anklagen gegen die Herren kam, war nicht anders zu erwarten. Wer in die CSU -Spitze aufsteigt, taucht damit in das »Drachenblut der Unverwundbarkeit« ein, wie es Heribert Prantl einmal allgemein für Spitzenpolitiker formulierte.
    Der Landtag hätte früher auch keine unabhängigen Rechtsgutachten einer renommierten Anwaltskanzlei und von Rechtsprofessoren eingeholt, um die Haftung des Vorstands und des Verwaltungsrats der Landesbank zu prüfen. Man hätte einfach einzelne Mitglieder des Vorstands oder schlimmstenfalls den gesamten Vorstand gefeuert, aber die völlige Unschuld der Mitglieder des Verwaltungsrats, insbesondere der Minister, als unumstößliche Erkenntnis propagiert.
    Kann eine Regierung Unrechtsakte vor der Öffentlichkeit verdecken? Ja, das ist möglich. Auch wenn ein Fall in die Presse gelangt, wird die Regierung immer eine plausible Gegendarstellung finden, die ihr aufgrund ihrer Amtsautorität geglaubt wird.

2 Verbesserungsvorschläge
    Um die exzessiven Missstände in Bayern zu beseitigen, bedarf es rechtlicher Änderungen. Es sind solche, die auch in anderen Bundesländern vorgenommen werden sollten.
    Justiz
    Staatsanwaltschaft
    Die zahlreichen und teils ungeheuerlichen Übergriffe und Affären bestimmter Politiker würden von vornherein vermieden, wenn diese mit einer Strafverfolgung rechnen müssten. Die Staatsanwaltschaft untersteht jedoch dem Justizminister und dieser wiederum faktisch dem Ministerpräsidenten. Dies ist in ganz Deutschland so. In fast allen europäischen Ländern hingegen sind die Staatsanwälte weisungsunabhängig wie die Richter. Anders als dort sind unsere Staatsanwälte überdies auch hinsichtlich ihrer Beförderung vom Justizminister abhängig. Die Richter sind in Deutschland zwar weisungsunabhängig, doch hängt ihre Beförderung ebenfalls vom Justizminister ab. Dass sich das häufig auf die Urteile auswirkt, wird von Richtern selbst beklagt.
    Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat mit Beschluss vom September 2009 die Bundesrepublik aufgefordert, die Staatsanwälte und Richter nicht mehr durch Justizminister, sondern durch Selbstverwaltungsorgane verwalten zu lassen. Das forderten auch die deutschen Juristenverbände im September 2010 auf dem Deutschen Juristentag. Die Unabhängigkeit der Justiz ist heute eine Bedingung für Länder, die der EU beitreten wollen – die Bundesrepublik erfüllt sie paradoxerweise nicht.
    Solange der bisherige Rechtszustand besteht, ist das von oben gesteuerte Verhalten der Staatsanwaltschaft in politischen Fällen das Krebsübel schlechthin: Schuldige werden verschont, ja verteidigt, Unschuldige hingegen verfolgt. Lehnt die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Schuldigen ab oder stellt sie ein solches ein, dann liefert sie diesem damit oft sogar noch die Waffe, gegen den Anzeigeerstatter wegen Verleumdung vorzugehen. Stellt man dagegen Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft, so beurteilt sie diese selbst – es ist ein In-Sich-Geschäft. Und wo kein Ankläger, da kein Richter. Es bedarf daher dringend eines
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