Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wächter des Mahlstroms

Wächter des Mahlstroms

Titel: Wächter des Mahlstroms
Autoren: Edward E. Smith
Vom Netzwerk:
Anschauens nicht wert. Er und Jo waren seit über fünfzehn Jahren verheiratet gewesen, und ihre Bindung war mit jedem Tag fester geworden. Und die Kinder ... so etwas war einfach nicht möglich ... das Schicksal konnte ihm so etwas doch nicht antun ... aber es war nun mal geschehen! Seine Familie war tot ...
tot
... TOT!
    Für Neal Cloud, der in düsterem Gram an seinem Schreibtisch saß, während ihn peinigende Gedanken heimsuchten, für diesen Mann war die Katastrophe doppelt schlimm, weil sie ihm eine grausame Ironie offenbarte. Er war stellvertretender Leiter des Wirbel-Kontroll-Laboratoriums. Sein Lebenswerk bestand in der Suche nach einem Mittel oder einer Methode, freie Atomwirbel zu vernichten.
    Vage richtete sich sein Blick auf das Bild. Welliges braunes Haar ... klare, ehrliche graue Augen ... Falten, die Charakter, Kraft und Humor offenbarten ... sanft geschwungene Lippen, bereit zum Lächeln oder Küssen ...
    Gewaltsam riß er sich von dem Anblick los und kritzelte etwas auf ein Stück Papier. Dann stand er langsam auf, ergriff das Bild und schritt mit steifen Schritten durch das Zimmer zu einem Verbrennungsofen. Nachdem der Lichtbogen seine Arbeit getan hatte, machte er kehrt und reichte das Papier einem großen Mann, an dessen Handgelenk eine Lens schimmerte. Der Mann hatte ihn mit ruhigem, verständnisvollem Blick beobachtet. Der Kundige gewinnt den richtigen Eindruck von der Bedeutung des Labors, wenn er sich die Tatsache vor Augen hält, daß es von einem Lens-Träger geleitet wird.
    »Wenn es Ihnen recht ist, Phil, soll das ab sofort gelten.«
    Der Lens-Träger nahm das Schriftstück, warf einen Blick darauf und zerriß es methodisch in sechzehn gleich große Stücke.
    »O nein, Sturm«, sagte er leise. »Eine Kündigung kommt nicht in Frage. Einen Urlaub würde ich genehmigen, aber kein Ausscheiden.«
    »Warum nicht?« Die Worte waren keine Frage; Clouds Stimme war tonlos. »Ich wäre nicht mehr das Papier wert, auf dem ich schreibe.«
    »Im Augenblick vielleicht nicht; aber die Zukunft sieht anders aus. Ich habe mich bis jetzt noch nicht geäußert, weil ich Sie und Jo kannte. In einem solchen Fall gibt es keine Trostworte.« Er streckte dem anderen die Hand hin. »Für die Zukunft jedoch habe ich Ihnen fünf Worte zu sagen, die vor langer Zeit ausgesprochen wurden und für die es bis jetzt keine besseren gibt: ›Auch dies geht einmal vorbei.‹«
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Ich weiß es, Sturm. Ich kenne mich mit solchen Dingen aus. Sie sind ein zu guter Mann, um die Kontrolle über sich zu verlieren. Sie haben Ihren Platz in der Welt, Sie haben Ihre Aufgabe. Sie werden an Ihren Posten zurückkehren ...« Ein Gedanke kam dem Lens-Träger, der in seltsam verändertem Tonfall fortfuhr: »Aber Sie würden doch nicht ... das brächten Sie sicher nicht fertig ...«
    »Ich glaube es nicht. Nein.« Ein Selbstmord, so verlockend der Gedanke auch sein mochte, war keine Antwort auf das Problem. »Leben Sie wohl, Phil.«
    »Nicht ›Leben Sie wohl‹, Sturm. ›Auf Wiedersehen.‹«
    »Vielleicht.« Cloud verließ das Laboratorium und fuhr mit dem Lift in die Garage. Dort stieg er in seinen großen blauen DeKhotinsky Spezial und fuhr los.
    Der Verkehr war so dicht, daß sich Stoßstangen und Seitenpuffer der Wagen fast berührten, doch er bewegte das Steuer mit der üblichen Geschicklichkeit; dabei nahm er die anderen Fahrzeuge nur im Unterbewußtsein wahr. Er verlangsamte die Fahrt, wich aus, stoppte ab, gab Gas – und das alles ganz automatisch, als Folge von Reflexen.
    Er wußte nicht, wohin er fuhr – es war ihm auch egal. Sein betäubter Verstand versuchte lediglich von den Phantombildern loszukommen – ein Bestreben, das er bei klarer Überlegung als sinnlos erkannt hätte; doch sein Denken war im Augenblick nicht in Ordnung. Er tat irgend etwas: niedergeschlagen, elend.
    Er raste auf einer Einbahn-Himmelsstraße; auf dieser Schnellbahn überfuhr er die Vororte und erreichte schließlich den transkontinentalen Super-Highway. Dort steuerte er seinen Wagen immer weiter einwärts, von Fahrbahn zu Fahrbahn, und erreichte schließlich den »unbeschränkten« Bereich – beschränkt allerdings insoweit, als nur Wagen mit nicht weniger als siebenhundert Pferdestärken zugelassen waren, die in einwandfreiem Zustand sein und von registrierten und erprobten Fahrern mit nicht weniger als zweihundert Kilometern in der Stunde gesteuert werden mußten. Cloud gab der Kontrollstation seine Nummer durch und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher