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Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Titel: Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
Autoren: Leipert Sabine
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auch etwas Mitleid mit meinem Nachbarn. Schließlich gab ich mir einen Ruck und verfolgte meinen ursprünglichen Plan. Ich ging über den Flur, der mir plötzlich unendlich lang vorkam.
    »Ähm, das ist jetzt vielleicht nicht der richtige Moment, aber ich wollte mich für deine Hilfe bedanken. Ach ja, und außerdem habe ich mich noch gar nicht vorgestellt. Das ist wohl in dem Chaos heute Morgen etwas untergegangen. Ich heiße Karina. Karina Schneider.« Ich reichte ihm die Hand.
    »Ja, hi, ich heiße Tim, aber das weißt du ja schon. Karina? Ist das eine Kurzform von Katharina oder so?« Mein Mitleid war im Nu verflogen. Ich hasste diese Frage, denn ich wurde grundsätzlich Katharina, Karin oder wahlweise auch Katinka genannt. Das hatte man nun von einer linksintellektuellen Mutter, die ihre Studentenzeit in Paris verbracht hatte und Jean-Luc Godard für den besten Regisseur aller Zeiten hielt. Angeblich wurde ich bei der x-ten Wiederaufführung von seinem Klassiker Vivre sa vie auf der hintersten Sitzbank irgendeines winzigen Pariser Studentenkinos gezeugt und musste nun mein Leben lang dafür büßen. Meine Mutter wollte mich unbedingt nach der Hauptdarstellerin Anna Karina nennen, und weil ihr Anna zu gewöhnlich war, hieß ich nun Karina. Dass dieser Künstlername selbst nur eine Abwandlung von Anna Karenina war und damit der Name, der mich eigentlich als eigenständiges Individuum kennzeichnen sollte, lediglich eine mehrfach recyclete Variante eines russischen Romans, war meiner Mutter damals natürlich egal. Und ich war damals leider noch zu jung, um Einspruch zu erheben, denn die Geschichte meines Namens offenbarte sich mir erst nach jahrelanger Recherche.
    »Nein, Karina, wie diese französische Schauspielerin.«
    »Ach so.« Er nickte zustimmend, aber es war klar, dass er in Gedanken immer noch bei Sabrina war, deren Name sicherlich keine so komplizierte Vorgeschichte hatte. Er schaute abwesend vor sich hin, und ich nutzte die Gelegenheit, um mir ein genaueres Bild von ihm zu machen. Er war ziemlich groß, bestimmt eins neunzig, durchtrainiert, aber das durfte man von einem Profi-Fußballer wohl auch erwarten, hatte mittellange dunkelbraune Haare und einen ernsten Blick, der ihn irgendwie tiefgründig wirken ließ. Okay, ich musste Tina recht geben, er war nicht übel. Aber der hypermoderne Jogginganzug und die albernen blondgefärbten Strähnchen gaben eindeutig Abzüge in der B-Note.
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«, unterbrach Tim meine Punktevergabe plötzlich. »Willst du vielleicht doch lieber wieder im LKW übernachten, nachdem du die Wohnung gesehen hast?«
    Ach nee, Humor hatte er also auch.
    »Nein, ich gewöhne mich schon noch an so viel Platz.« Ich zog die Weinflasche hinter meinem Rücken hervor. »Hier, als kleines Dankeschön.«
    »Danke, aber ich trinke nicht.«
    »Oh, tja, so ein Glück. Dann kann ich die Flasche ja doch selbst trinken. Das war nämlich meine letzte.« Ich versuchte die Situation mit diesem Spruch zu retten, aber er wirkte nicht sehr geistreich. Im Gegenteil, Tim musste mich nach dem heutigen verkaterten Morgen langsam für eine angehende Alkoholikerin halten. Auf jeden Fall konnte ich das seinem etwas seltsamen Blick entnehmen, als er mir den Bordeaux zurückgab. Ich suchte krampfhaft nach einer oberflächlichen Floskel, die das Gespräch in Gang bringen würde, aber mir fiel nichts ein. Schließlich griff ich zum rettenden Strohhalm, oder besser, zur rettenden Zigarette, denn erfahrungsgemäß überwand man durch gemeinsames Rauchen die ersten Anlaufschwierigkeiten. Ich steckte mir eine Zigarette in den Mund und bot ihm eine an.
    »Nein danke, ich rauche nicht. Ich bin Sportler.« Aber da war es bereits zu spät. Ich hatte mir meine Zigarette gerade angezündet und einen tiefen Zug genommen, als er seine Abneigung gegenüber diversen Drogen mit dieser Bemerkung noch einmal unterstrich. Langsam konnte ich Sabrina verstehen. Der Kerl war stinklangweilig, und um das herauszufinden, hatte ich noch nicht einmal drei Minuten gebraucht.
    Ich tat so, als hätte ich den versteckten Hinweis nicht verstanden, aber das wilde Fuchteln, mit dem er den Rauch von sich wegwedelte, war nun wirklich nicht zu übersehen. Also gab ich nach und schaute mich nach einem geeigneten Gegenstand um, an dem ich die Zigarette ausdrücken konnte. Aber da mir nur die Wahl blieb, die Zigarette elegant auf dem Fußabtreter vor seiner Wohnung auszutreten oder weiterzurauchen, entschied ich mich für das
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