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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen!
Autoren: Terry Pratchett
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›Ritterlichkeit‹ brachte mich darauf«, sagte Bruder Wachturm.
    »Ja, und…«
    »Ritterlichkeit ist typisch für Könige«, erklärte Bruder Wachturm glücklich. »Und für Ritter. Sie retteten junge Frauen mit langen blonden Haaren aus hohen Türmen und…«
    »Allerdings«,
sagte der Oberste Größte Meister scharf, »wäre es durchaus denkbar, daß das Geschlecht der alten Könige von Ankh nicht ausgestorben ist, wie man bisher annahm. Vielleicht gibt es nach wie vor Deszendenten, die Anspruch auf den Thron erheben könnten. Mein Studium uralter Schriftrollen läßt derartige Annahmen plausibel erscheinen.«
    Der Oberste Größte Meister trat erwartungsvoll einen Schritt zurück, doch die erhoffte Reaktion blieb aus. Möglicherweise lag es an der Verwendung so anspruchsvoller Ausdrücke wie ›Deszendent‹ und ›plausibel‹.
    Bruder Wachturm hob erneut die Hand.
    »Ja?«
    »Soll das heißen, irgendwo treibt sich ein Thronerbe herum?«
    »Es ist nicht auszuschließen.«
    »O ja«, verkündete Bruder Wachturm weise, »so etwas geschieht häufig. Man liest ständig davon. Man nennt die Leute Nachfahren. Eine Ewigkeit lang verstecken sie sich in fernen Wäldern und geben das geheime Schwert sowie irgendwelche Muttermale von Generation zu Generation weiter. Wenn das alte Königreich sie braucht, erscheinen sie ganz plötzlich und legen den Thronräubern das Handwerk. Anschließend wird meistens ordentlich gefeiert.«
    Dem Obersten Größten Meister klappte die Kinnlade herunter. Er hatte nicht damit gerechnet, daß es so einfach wäre.
    »Ja, mag sein«, brummte eine Gestalt, die der Oberste Große Meister als Bruder Stukkateur erkannte. »Und dann? Angenommen, ein Nachfahre taucht auf, geht zum Patrizier und sagt: ›Heda, ich bin der König, hier ist mein Ausweis, das Muttermal. Mach den Thron frei und verschwinde‹. Was hat er davon? Eine Lebenserwartung von allerhöchstem zwei Minuten –
das
hat er davon.«
    »Du hast überhaupt nicht richtig
zugehört«,
erwiderte Bruder Wachturm. »Es geht doch darum, daß der Nachfahre eintrifft, wenn das Königreich bedroht ist, stimmt’s? Er kommt als Retter, wird auf den ersten Blick erkannt und zum Palast getragen, wo er einige Kranke heilt, einen halben Feiertag verkündet und einen kleinen Teil des königlichen Schatzes an die Armen verteilt.
So
läuft der Hase, mein Lieber.«
    »Außerdem muß er eine Prinzessin heiraten«, warf Bruder Pförtner ein. »Weil er ein Schweinehirt ist.«
    Die anderen Brüder sahen ihn verblüfft an.
    »Warum muß er unbedingt ein Schweinehirt sein?« fragte Bruder Wachturm. »Ich habe nie behauptet, daß er ein Schweinehirt ist. Was hat das alles mit Schweinehirten zu tun?«
    »Bruder Pförtner hat nicht ganz so unrecht«, sagte Bruder Stukkateur. »Der zurückkehrende Thronerbe ist meistens ein Schweinehirt oder Förster – so etwas in der Richtung. Das liegt am In-Dingsbums. Kognito. Der neue König muß den Eindruck erwecken, von einfacher Herkunft zu sein.«
    »An einfacher Herkunft ist überhaupt nichts Besonderes«, sagte ein recht kleiner Bruder, der nur aus einer schwarzen Kutte in Kindergröße und Mundgeruch zu bestehen schien. »In meiner Familie gibt es nichts anderes als einfache Herkunft. Wir halten die Arbeit des Schweinehirten für einen außerordentlich erstrebenswerten Beruf.«
    »Aber in deiner Familie fehlt königliches Blut, Bruder Verdruß«, hielt ihm Bruder Stukkateur entgegen.
    »Vielleicht auch nicht«, murmelte Bruder Verdruß verdrießlich.
    »Na schön«, sagte Bruder Wachturm widerwillig. »Meinetwegen. Doch im entscheidenden Augenblick legen echte Könige ihre Mäntel ab und rufen ›Siehe!‹ Daran zeigt sich deutlich ihr majestätisches Wesen.«
    »Wie denn?« fragte Bruder Pförtner.
    »Warum soll kein königliches Blut in meinen Adern fließen?«
grummelte Bruder Verdruß. »Es
ist nicht richtig zu behaupten, ich hätte überhaupt kein…«
    »Irgendwie, in Ordnung? Ein majestätisches Wesen erkennt man sofort, wenn man’s sieht.«
    »Aber vorher muß das Königreich gerettet werden«, erklärte Bruder Stukkateur.
    »O ja«, bestätigte Bruder Wachturm mit bedeutungsvoller Stimme, »das ist das wichtigste, jawohl.«
    »Gerettet wovor?«
    »…
habe ich ebensoviel Recht darauf wie alle anderen, daß vielleicht königliches Blut in meinen Adern fließt…«
    »Vor dem Patrizier?« fragte Bruder Pförtner.
    Bruder Wachturm schlüpfte bereitwillig in die Rolle des Experten für Könige und
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