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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen!
Autoren: Terry Pratchett
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schüttelte den Kopf.
    »Eigentlich ist der Patrizier gar keine große Bedrohung«, antwortete er. »Man kann ihn wohl kaum als Tyrannen bezeichnen. Zumindest nicht als einen schlimmen. Ich meine, er
unterdrückt
nicht richtig.«
    »Ich werde die ganze Zeit über unterdrückt«, ließ sich Bruder Pförtner vernehmen. »Von Meister Puderzucker, während der Arbeit. Morgens, mittags und abends unterdrückt er mich, indem er ständig schreit und so. Und dann die Frau im Gemüseladen… Sie unterdrückt mich
dauernd.«
    »Mir geht’s ähnlich«, sagte Bruder Stukkateur. »Mein Hauswirt unterdrückt mich auf gemeine und hinterhältige Weise. Immer wieder klopft er an die Tür und erinnert an die Miete, die ich ihm angeblich schulde, was natürlich frei erfunden ist. Und die Leute nebenan unterdrücken mich in jeder Nacht. Ich arbeite den ganzen Tag über und habe nur abends Zeit, mit der Tuba zu üben. Aber glaubt ihr etwa, das sehen sie ein? Dauernd beschweren sie sich! Ach, niemand spürt den Stiefel des Unterdrückers deutlicher im Nacken als ich.«
    »Nun, wenn man’s aus diesem Blickwinkel sieht…«, meinte Bruder Wachturm nachdenklich. »Ich glaube, mein Schwager unterdrückt mich, indem er sich ein Pferd und einen nagelneuen Einspänner gekauft hat.
Ich
habe keinen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? frage ich euch. Ich wette, ein König ließe diese Art von Unterdrückung nicht zulassen. Er erließe bestimmt ein Gesetz, das es Ehefrauen verbietet, ihre Ehemänner mit Bemerkungen wie ›Mein Bruder Ruprecht hat seiner Frau eine neue Kutsche geschenkt, aber du hast wohl wieder kein Geld, was?‹ zu unterdrücken.«
    Der Oberste Größte Meister hörte mit wachsendem Erstaunen zu. Vielleicht kannte er das Phänomen der Lawinen, aber als er den metaphorischen Schneeball über den langen verschneiten Hang rollen ließ, hatte er keine so bemerkenswerten Resultate erwartet. Er brauchte kaum in die Diskussion einzugreifen, um sie in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken.
    »Ich wette, ein König unternähme etwas gegen verlogene Hauswirte«, sagte Bruder Stukkateur.
    »Und er würde Leute mit protzigen Kutschen bestrafen«, fügte Bruder Wachturm hinzu. »Ich wäre gar nicht überrascht, wenn mein Schwager das Ding mit gestohlenem Geld bezahlt hat.«
    An dieser Stelle hielt der Oberste Größte Meister einen zarten Hinweis für notwendig. »Meiner Ansicht nach würde ein kluger König protzige Kutschen nur dann unter Strafe stellen, wenn sie
Unwürdigen
gehören.«
    Nachdenkliche Stille folgte, als die versammelten Brüder eine mentale Teilung des Universums vornahmen, um die Würdigen von den Unwürdigen zu trennen. Es fiel ihnen nicht weiter schwer, sich für die richtige Seite zu entscheiden.
    »Das wäre nur anständig«, sagte Bruder Wachturm langsam. »Aber ich muß auch Bruder Stukkateur recht geben. Ich halte es eher für unwahrscheinlich, daß ein König erscheint, nur weil Bruder Pförtner glaubt, die Frau im Gemüseladen werfe ihm seltsame Blicke zu.«
    »Außerdem wiegt sie immer zu knapp«, brummte Bruder Pförtner. »Und sie…«
    »Ja, ja, ja.« Der Oberste Größte Meister holte tief Luft. »Es stimmt schon: Die rechtschaffenen Bürger von Ankh-Morpork werden unterdrückt. Aber normalerweise offenbart sich ein König unter dramatischeren Umständen. Zum Beispiel während eines Krieges.«
    Alles lief bestens. Die Brüder mochten egozentrisch und dumm sein, aber bestimmt gab es einen unter ihnen, der auf den richtigen Gedanken kam, oder?
    »Meistens gibt es in solchen Fällen alte Prophezeiungen und so«, sagte Bruder Stukkateur. »Mein Großvater hat mir davon erzählt.« Sein Blick reichte ins Leere, als er sich zu erinnern versuchte. »›Fürwahr, der König bringt Gesetz und Gerechtigkeit, kennt nichts als die Wahrheit. Mit dem Schwert in der Hand wird er seinem Volk dienen und es schützen.‹ Was seht ihr mich so komisch an? Diese Worte stammen nicht von
mir.«
    »Ach,
solche
Sprüche kennen wir
alle!«
Bruder Wachturm winkte ab. »Völliger Unsinn, wenn ihr mich fragt. Ich meine, kommt der König etwa mit Gesetz und Wahrheit dahergeritten, so wie die vier Reiter der Apokralypse? Hallo, Leute«, fuhr Bruder Wachturm mit veränderte Stimme fort, »ich bin der König, und dort steht die Wahrheit, tränkt gerade ihr Pferd. Das ist doch absurd! Nein, alten Legenden kann man nicht vertrauen.«
    »Und warum nicht?« fragte Bruder Verdruß eingeschnappt.
    »Weil sie legendär sind«, antwortete Bruder
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