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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen!
Autoren: Terry Pratchett
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eine Eiszeit.
    Mumm wanderte ziellos durch einen aus Mahagoni bestehenden Torbogen und erreichte…
    Einen Speisesaal. Wenn man an dem dort stehenden langen Tisch Platz nahm, so konnte man ziemlich sicher sein, daß die Leute am gegenüberliegenden Ende in einer anderen Zeitzone saßen. Silberne Kerzenhalter siedelten auf dem massiven Holz.
    Der Tisch war für zwei Personen gedeckt, und neben jedem Teller lag eine große Auswahl an Besteck. Uralte Weingläser funkelten im Kerzenschein.
    Eine schreckliche Vorahnung regte sich in Mumm, und im gleichen Augenblick wehte eine Duftwolke an ihm vorbei. Es handelte sich um
Bezaubern,
das teuerste Parfüm in Ankh-Morpork.
    »Ah, Hauptmann. Ich freue mich sehr, daß du gekommen bist.«
    Eine atemberaubende Lady Käsedick betrat den Saal.
    Mumms verblüffter Blick fiel auf ein langes blaues Kleid, das im flackernden Kerzenlicht glitzerte, auf eine Mähne aus kastanienfarbenem Haar und auf ein leicht besorgtes Gesicht – es ließ vermuten, daß Dutzende von besonders fähigen Malern und Dekorateuren gerade ihre Gerüste abgebaut hatten und nach Hause gegangen waren. Außerdem hörte er ein dumpfes Knirschen, das folgende Botschaft übermittelte: Irgendwo unter dem Kleid mußten Miederwaren einem Druck standhalten, wie er normalerweise nur im Zentrum sehr großer Sterne herrschte.
    »Ich, äh«, brachte Mumm hervor. »Wenn du, äh. Wenn du mir etwas gesagt, äh. Hättest, äh. Dann wäre ich, äh. Nicht in Uniform, äh. Gekommen, äh. Äh.«
    Lady Käsedick hielt wie eine gewaltige Belagerungsmaschine auf ihn zu.
    Mumm ließ sich benommen zu einem Stuhl führen und glaubte zu träumen. Offenbar aß er etwas, denn wie aus dem Nichts erschienen Diener, brachten Dinge, die mit andere Dingen gefüllt waren, manifestierten sich später erneut und trugen leere Teller fort. Ab und zu wurde der Butler lebendig, um Gläser mit seltsamem Wein zu füllen. Die von den Kerzen ausgehende Hitze genügte, um langsam zu garen. Und die ganze Zeit über sprach Lady Käsedick mit schriller, fast hysterischer Stimme: über die Größe des Hauses, über die Verantwortung, die ein so großes Anwesen mit sich brachte, darüber, daß es Zeit wurde, die eigene Stellung in der Gesellschaft ernster zu nehmen. Irgendwann drang das rote Glühen der untergehenden Sonne in den Speisesaal, und vor Mumms Augen drehte sich alles.
    Die Gesellschaft ahnt noch gar nicht, was ihr bevorsteht,
dachte er mühsam. Kein einziges Mal wurden Drachen erwähnt, obwohl sich nach einer Weile etwas unter dem Tisch bewegte, den Kopf auf Mumms Schoß legte und sabberte.
    Der Hauptmann versuchte vergeblich, eigene Konversationsbeiträge zu leisten. Er fühlte sich umzingelt und eingekesselt, entschied sich schließlich zu einem Ausfall und hoffte, höheres Gelände zu erreichen und von dort aus ins Exil zu fliehen.
    »Wohin sind sie wohl verschwunden?« erkundigte er sich.
    Lady Käsedick unterbrach ihren Redefluß. »Wen meinst du?«
    »Die Drachen. Du weißt schon. Errol und seine Fr… sein Weibchen.«
    »Oh, ich nehme an, sie sind zu einem entlegenen und felsigen Ort geflogen«, erwiderte Ihre Ladyschaft. »Drachen mögen entlegene und felsige Orte.«
    »Aber der große Dr… Ich meine, sie ist ein magisches Wesen. Was geschieht, wenn der Zauber nachläßt?«
    Lady Käsedick lächelte scheu.
    »Die meisten Leute kommen damit zurecht.«
    Sie beugte sich über den Tisch und berührte die Hand des Hauptmanns.
    »Deine Männer glauben, daß sich jemand um dich kümmern sollte«, sagte sie sanft.
    »Ach, tatsächlich?« murmelte Mumm.
    »Feldwebel Colon meint, wir kämen wie ein
Maison en flambé
zurecht.«
    »Oh. Das meint er wirklich?«
    »Und er sagte noch etwas anderes, was war es doch gleich?« Lady Käsedick überlegte. »Ah, ja: ›Es ist eine Chance von eins zu einer Million.‹ Und dann sagte er: ›Aber es könnte klappen.‹«
    Sie lächelte.
    Und dann kroch eine Erkenntnis heran, stieß Mumm in die Rippen und flüsterte, daß Lady Käsedick eigentlich recht attraktiv war, zumindest auf ihre eigene Art und Weise. Sie gehörte zu den wenigen Frauen, die ihn eines Lächelns für würdig hielten. Sie konnte nicht schlimmer sein, und er nicht besser. Das schuf einen gewissen Ausgleich. Ihre Ladyschaft wurde kaum jünger, aber wer konnte das schon von sich behaupten? Außerdem hatte sie Stil, Geld, gesunden Menschenverstand, Selbstsicherheit und viele andere Dinge, die ihm fehlten. Sie öffnete ihm ihr Herz, und wenn er es
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