Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen!
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Mumm gutmütig auf den Rücken.
    »Dort unten«, setzte er seinen Vortrag fort, »gibt es Menschen, die jedem Drachen folgen, jeden Gott verehren und jede Greueltat bejubeln. Und das alles nur aus stumpfsinniger, alltäglicher Verderbtheit. Es handelt sich dabei nicht um die erstklassige und kreative Scheußlichkeit der großen Sünder, eher um eine serienmäßig hergestellte Dunkelheit der Seele. Anders ausgedrückt: Es ist Sünde ohne eine Spur Originalität. Solche Menschen nehmen das Böse nicht etwa deshalb hin, weil sie ›ja‹ dazu sagen, sondern weil sie auf ein ›nein‹ verzichten.« Lord Vetinari legte Mumm die Hand auf die Schulter. »Ohne dich beleidigen zu wollen: Leute wie du brauchen Leute wie mich.«
    »Ja, Herr?« fragte Mumm zurückhaltend.
    »Und ob. Ich weiß, wie man die Dinge zum Funktionieren bringt. Nun, die Guten verstehen sich darauf, die Bösen zu überwältigen und ihnen das Handwerk zu legen. Ja, darin sind die Guten wirklich
gut,
zugegeben. Das Problem besteht jedoch darin, daß sie keine anderen nennenswerten Fähigkeiten haben. Am einen Tag feiern sie den Sturz des grausamen Tyrannen, und am nächsten sitzen sie herum und beklagen sich darüber, daß seit dem Sturz des Tyrannen niemand mehr den Müll fortbringt. Der Grund: Die Bösen können
planen.
Das ist sozusagen eins ihrer Wesensmerkmale. Jeder grausame Tyrann, der etwas auf sich hält, plant die Unterwerfung der ganzen Welt. Wenn es darum geht, in die Zukunft zu blicken, haben die Guten einfach nicht den Dreh raus.«
    »Mag sein«, erwiderte Mumm. »Aber beim Rest irrst du dich. Die Menschen fürchten sich nur, und allein…« Er zögerte. Es klang recht hohl, selbst für seine eigenen Ohren.
    Er zuckte mit den Achseln. »Es sind Menschen«, sagte er. »Und sie
verhalten
sich wie Menschen. Herr.«
    »Oh, natürlich, natürlich«, räumte Lord Vetinari ein. »Daran muß man glauben, ich weiß. Sonst schnappt man einfach über. Sonst glaubt man, auf einer hauchdünnen Brücke über den Schwefelgruben der Hölle zu stehen. Sonst wäre das Leben eine unaufhörliche Qual. Sonst bestünde die einzige Hoffnung darin, daß es nach dem Tod keine Wiedergeburt gibt. Ich verstehe, was du meinst.« Der Patrizier blickte auf den Schreibtisch und seufzte. »Es gibt jetzt viel zu tun. Der arme Wonse war ein guter Diener, aber als Regent taugte er nicht viel. Du kannst jetzt gehen. Schlaf dich gründlich aus. Oh, und komm morgen mit deinen Männern hierher. Die Stadt wird ihre Dankbarkeit zeigen.«
    »Sie wird
was
zeigen?« fragte Mumm.
    Lord Vetinari konzentrierte sich auf eine Schriftrolle, und seine Stimme klang nun wieder so geschäftsmäßig wie die eines Mannes, der organisiert, plant und kontrolliert.
    »Ihre Dankbarkeit«, antwortete er. »Nach jedem triumphalen Sieg müssen Helden präsentiert werden. Das ist wichtig. Dann wissen die Bürger, daß alles seine Richtigkeit hat.«
    Der Patrizier sah über den Rand des Pergaments hinweg und warf Mumm einen kurzen Blick zu.
    »Es gehört zur natürlichen Ordnung der Dinge«, fügte er hinzu.
    Eine halbe Minute später griff er nach einem Stift und schrieb Anmerkungen. Nach einer Weile hob er den Kopf.
    »Wie ich schon sagte: Du kannst jetzt gehen.«
    Mumm verharrte in der Tür.
    »Glaubst du das alles, Herr?« fragte er. »Das mit dem ewigen Bösen und der völligen Finsternis?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte Lord Vetinari und nahm ein anderes Dokument zur Hand. »Es ist die einzige logische Schlußfolgerung.«
    »Aber du stehst jeden Morgen auf und bleibst nicht einfach im Bett liegen, Herr?«
    »Hmm? Ja. Worauf willst du hinaus?«
    »Ich möchte nur wissen:
warum,
Herr?«
    »Oh, bitte sei ein guter, braver Wächter und geh jetzt, Hauptmann.«

    D er Bibliothekar wankte über den Boden der dunklen und zugigen Höhle, die der Drache im Zentrum des Palastes angelegt hatte. Er betrachtete die Überbleibsel des nicht besonders wertvollen Horts, blickte dann auf Wonses Leiche herab.
    Schließlich bückte er sich und zog ganz vorsichtig das Buch
Die Beschwörung von Drachen
aus den steifer werdenden Fingern. Er blies den Staub davon und streichelte es so zärtlich wie ein ängstliches Kind.
    Dann drehte er sich um, kletterte über den Tandhaufen, verharrte und holte ein zweites Buch aus dem glitzernden Flitter. Es gehörte ihm nicht, wenn man einmal davon absah, daß alle Bücher in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Behutsam öffnete er es und las aufmerksam.
    »Behalt es«, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher