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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark
Autoren: Gabriele Keiser
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Mutter und ich keinen Kontakt mehr mit ihm haben.«
    »Haben
Sie sich daran gehalten?«
    Michael
schlug die Augen nieder und nickte. »Ich wollte es meinem Vater recht machen.
Ich hätte es nicht über mich gebracht, etwas anderes zu tun, als seinem Willen
zu gehorchen.«
    »Und
Ihre Mutter?«
    Er hob
die Schultern. »Ich glaube, die hat versucht, mit Benno Kontakt zu halten. Das
war jedenfalls ein ständiger Streitpunkt zwischen den Eltern.«
    Der
Richter blätterte in seinen Unterlagen.
    »Herr
Schaller. Hat Ihr Bruder Tiere gequält?«
    Michael
schüttelte vehement den Kopf. »Er war sehr tierlieb. Wir hatten einen Kater,
den er versorgte.«
    »Kennen
Sie die Gegend um die Rauschermühle?«
    Er
nickte sofort. »Da haben wir oft als Kinder gespielt.«
    »Gab es
einen bestimmten Lieblingsort?«
    Wieder
nickte er. »Die Schlangenhöhle. Die nannten wir so, weil jemand mal eine
Schlange darin gesehen hatte. Aber nachdem Benjamin ins Heim kam, war ich nicht
mehr dort. Allein wollte ich da nicht spielen.«
    »Weil
es Ihnen unheimlich war?«
    Er
kniff die Lippen zusammen und senkte den Kopf.
    »Sie
hatten danach keinen Kontakt mehr zu Ihrem Bruder? Bis zum heutigen Tag?«
    Michael
Schaller schüttelte den Kopf. »Er war mir ja immer sehr fremd gewesen mit
seinen Ausrastern. Gar nicht wie ein richtiger Bruder. Vielleicht war ich sogar
froh, als er weg war. Danach war es angenehm ruhig bei uns. Vorher gab es
ständig Krach wegen dem, was Benno mal wieder angestellt hatte.«
    »Und
Ihre Frau? Hat sie nicht gewusst, dass Sie einen Zwillingsbruder haben?«
    »Ich
habe behauptet, ich sei ein Einzelkind. Ich wollte das alles nicht erklären
müssen. Es ist ja auch sehr kompliziert.« Michael Schaller hielt den kahlen
Kopf gesenkt, biss sich auf die Lippen und sagte eine ganze Weile nichts. Die
Not stand in seinem Gesicht, in seiner Körperhaltung. »Ich hab vieles nicht
verstanden«, sagte er leise. »Und das war umso schlimmer, weil er doch aussah
wie ich. Ich dachte, es sei am besten, die Dinge totzuschweigen.«

61
     
    Seit zwei Monaten stand nun
Benjamin Jacobs vor dem Koblenzer Landgericht. Die Hälfte der anberaumten 16
Prozesstage war absolviert. Benjamin Jacobs schwieg weiter beharrlich über die
Taten. Und wenn er nicht schwieg, versuchte er variantenreich, sich in einem
guten Licht darzustellen. Manchmal schien es fast, als kokettiere er mit Publikum
und Kammer. Als sähe er den Gerichtssaal als eine große Bühne, wo er seine Show
aufführen konnte. Eine Schelmennummer, so machte es bisweilen den Eindruck.
    Franca
war bei jeder der Verhandlungen dabei gewesen. Hatte den Mann, der ihr einmal
so nahestand, beobachtet, wie er sich herausredete, sich wand und log. Auf
einem der hinteren Plätze war ihr öfter der kahle Kopf von Michael Schaller
aufgefallen, der neben seiner Frau saß. Es war schon merkwürdig, wie
unterschiedlich die Zwillinge nach außen wirkten. Nur wenn man genauer hinsah,
war die Ähnlichkeit zu erkennen.
    Bei
alldem empfand sie eine große Fremdheit und Ratlosigkeit. Wenn sie merkte, dass
Benjamins Blick sie suchte, duckte sie sich und wich ihm aus. Sie hoffte
inständig, dass er nichts über ihre Verbindung verlauten ließ. Eine Hoffnung,
die sich bis jetzt erfüllt hatte.
    Nicht
nur für sie war Benjamin Jacobs schwer zu fassen. Mit jedem weiteren befragten
Zeugen verstärkte sich das widersprüchliche Bild. Die einen bezeichneten ihn
als zuvorkommenden, freundlichen Mann. Andere bescheinigten ihm ein gewisses
Machtgehabe, das bisweilen in Rücksichtslosigkeit gipfelte. Wieder andere
sagten aus, dass er immer sehr ausgeglichen wirkte, eher cool war. Auch seine
Arbeitskollegen malten im Zeugenstand ein gänzlich widersprüchliches Bild: vom
umgänglichen, hilfsbereiten Kollegen, der seine Arbeit gewissenhaft ausübte,
auch wenn es noch so stressig zuging, der schon mal freiwillig einen Dienst
übernahm, für den er keinen Ausgleich bekam, über den emsigen Macher, der öfter
eingesprungen war, wenn Kollegen erkrankten, bis zum überforderten Blender, der
die Menschen täuschte und dem keine Ausrede zu peinlich war. Eine Veränderung
in seinem Verhalten nach der Tat hatte jedoch niemand feststellen können.
    Seine
Exfrau Brigitta Jacobs, eine attraktive schlanke Blondine, schilderte ihn als
liebevollen Familienmenschen, der sich auch gut mit ihren Eltern und
Geschwistern verstand und ihr anfangs jeden Wunsch von den Lippen abgelesen
habe. »Er hatte halt einen Schlag bei Frauen«, meinte sie fast
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