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VT08 - Anti-Serum

VT08 - Anti-Serum

Titel: VT08 - Anti-Serum
Autoren: Dario Vandis
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genug Geschwindigkeit aufgenommen hatte, um die Kinder, die krächzend hinter dem Wagen hertaumelten, auf Distanz zu halten.
    »Kannst du mir mal erklären, was hier los ist?«, fragte Vin.
    »Die Kinder«, sagte Tulga atemlos und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er warf einen angstvollen Blick nach hinten. Die kleinen Gestalten waren inzwischen über fünfzig Schritt zurückgefallen.
    »Das waren Rubos Kinder«, sagte Vin und bestätigte Tulga damit, dass er überhaupt nichts verstanden hatte.
    »Hast du gesehen, was sie gemacht haben?«
    Vin lachte. »Sie wollten mit dir spielen.« Er verzog das Gesicht. »Aber sie sahen irgendwie komisch aus.«
    »Das waren keine Kinder!«
    »Was?«
    »Ich meine, es waren Rubo Anans Kinder – und trotzdem waren sie es nicht.« Er warf einen Blick zurück.
    Die Kinder waren stehen geblieben, als hätten sie eingesehen, dass sie die Wagen nicht mehr erreichen konnten.
    Aber statt zu rufen, die Fäuste zu schütteln oder auf andere Weise ihrer Enttäuschung Luft zu verschaffen, wandten sie sich einfach nur ab und schlurften zum Haus zurück – wie hungrige Tiere, denen mit ihrer Beute auch jede Energie abhanden gekommen war. Es war ein gespenstischer Anblick, wie sie über die Straße zur Hütte trotteten.
    Vin runzelte die Stirn. »Willst du mir nicht endlich verraten, was in der Hütte passiert ist? – Tulga, ich rede mit dir!«
    »Du würdest es nicht glauben«, stieß Tulga hervor.
    »Was würde ich nicht glauben?«
    Tulga trieb das Wakuda weiter an, bis Vin ihm schließlich in die Zügel griff. »Hör auf! Du peitschst das Tier ja tot!«
    Tulga wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann schob er Vin mit einer energischen Bewegung zur Seite und ließ erneut die Peitsche auf den Wakudarücken herabknallen. Er wollte nur noch zurück auf den väterlichen Hof. Irgendetwas sagte ihm, dass die Veränderungen, die mit den Kindern vor sich gegangen waren, nicht auf Rubo Anans Hof begrenzt bleiben würden.
    ***
    Prinzessin Marie betastete die Wunde unterhalb ihrer rechten Schulter. Es war nur ein Kratzer, den sie sich im Kampf mit den Gruh auf dem Dorfplatz von Vilam zugezogen hatte, aber er brannte höllisch, weil er genau in die Achselfalte hineinlief und die Haut bei jeder Bewegung über die Wunde scheuerte.
    Sie hatte die Wunde sorgfältig gereinigt und hoffte, dass all das Blut ringsum nur ihr eigenes gewesen war.
    Marie zuckte zusammen, als Nooga ihr die Hand auf die Schulter legte. »Geht es dir gut?«
    Sie nickte. »Danke, dass du mich abermals gerettet hast.«
    »Das meine ich nicht«, widersprach Nooga energisch. »Du solltest endlich aufhören, dich ständig zu bedanken.«
    »Ich stehe tief in deiner Schuld«, sagte sie schulterzuckend.
    »Ohne deine Hilfe wäre ich jetzt tot.«
    Sie ließ den Blick über den Dorfplatz schweifen, an dessen Rand sie sich auf dem Stamm eines umgestürzten Affenbrotbaumes niedergelassen hatten. Über den Dächern der Hütten breitete sich bereits der Glanz der Morgenröte aus. Das Feuer im Zentrum des Platzes war erloschen. Nur die Spuren im Sand wiesen noch auf den mörderischen Kampf hin, den die Bewohner von Vilam in dieser Nacht geführt hatten [2] und der sieben Gruh und einen Menschen das Leben gekostet hatte – wobei das Wort »Leben« im Zusammenhang mit den Gruh ganz sicher nicht die richtige Bezeichnung war.
    Sie fühlte, wie Nooga ihr mit seiner starken Hand durch das tief schwarze Haar strich. Die Berührung fühlte sich gut an und gleichzeitig irgendwie – falsch. Sie hatte mit Nooga geschlafen, bevor die Gruh kamen, und das, obwohl sie sich überhaupt nicht kannten. Bisher wusste er nicht einmal, dass sie keine einsame Amazone aus der Steppe war, sondern eine Tochter des Kaisers und Gebieterin über die Wolkenstadt Orleans-à-l’Hauteur, die sich in diesem Augenblick auf dem Weg hierher befand.
    Marie verspürte das dringende Bedürfnis, sich Nooga zu offenbaren. Gleichzeitig zögerte sie, weil sie ahnte, dass es vielleicht ein Fehler war, zu viel von sich preiszugeben.
    Ist doch prima. Ein weiterer Fehler macht nach den vielen anderen, die du in den letzten Stunden begangen hast, doch auch nichts mehr aus.
    Sie presste die Lippen aufeinander. Natürlich war sie froh, dass Nooga sie gerettet hatte. Dennoch fühlte sie sich schuldig, weil sie ihn überhaupt gezwungen hatte, sein Leben für sie zu riskieren.
    Vor ihrem geistigen Auge liefen die Ereignisse der vergangenen Nacht noch einmal ab. Zunächst die
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