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VT08 - Anti-Serum

VT08 - Anti-Serum

Titel: VT08 - Anti-Serum
Autoren: Dario Vandis
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und als dieser seine gebundenen Hände zeigte, befahl er den Wachen, die Fesseln zu lösen.
    Goodefroot stöhnte innerlich auf. Das fing ja gut an. Welche Missachtungen seiner Person würde diese Befragung wohl noch bereithalten?
    ***
    »Warum ist deine Haut so hell?«
    Marie lächelte. »Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich ein Sonnenkind.«
    »Ein Sonnenkind?« Das Mädchen, das nicht älter als fünf Jahre war, legte seine kleine Hand auf Maries Unterarm und wiegte den Kopf. »Aber dann müsstest du doch dunkel sein. Verbrannt.«
    »Da hast du Recht«, sagte Marie lachend. »Dann hat es wohl einen anderen Grund.«
    »Welchen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber deine Eltern müssen es doch wissen!«
    »Ich habe sie nie danach gefragt.«
    Das Mädchen blickte sie misstrauisch an. Offenbar las es in Maries Augen, dass sie nur die halbe Wahrheit sagte. Richtig, sie hatte niemals mit ihren Eltern über ihre besondere Herkunft gesprochen, aber jeder in Orleans-à-l’Hauteur wusste, dass es mit den Genen Pilatre de Roziers eine besondere Bewandtnis hatte. Er war der einzige vollkommen weißhäutige Mann, der je in dieser Region gelebt hatte, und nur bei wenigen seiner Kinder hatten sich die Gene der jeweiligen Mütter durchsetzen können – so wie bei Victorius, einem seiner ältesten Söhne, von dem es hieß, er habe sich vor einigen Monden mit der privaten Roziere seines Vaters auf eine Reise mit unbekanntem Ziel gemacht. (wie in MADDRAX ab Band 181 beschrieben) Natürlich war es nicht allein seine Hautfarbe gewesen, die de Rozier zu etwas Besonderem machte. Geschichten erzählten, dass er vor einem halben Jahrhundert wie aus dem Nichts aufgetaucht und seither um keinen Tag gealtert war.
    Dieser Nimbus hatte gewiss einen Anteil daran gehabt, dass die Menschen seine Herrschaft angenommen hatten, mit der er sie aus Not und Elend führte – ebenso wie sie seine Söhne und Töchter als natürliche Herrscher über die von ihm erbauten Wolkenstädte akzeptierten.
    Im Grunde ist das ungerecht, ging es Marie durch den Kopf.
    Es gibt keine natürlichen Herrscher. Ich bin es nicht und auch nicht der Kaiser. Sein Wissen macht ihn zu dem, was er ist.
    Und was, wenn dieses Wissen eines Tages mit ihm sterben würde? Wenn er zum Beispiel Opfer einer Gruh-Attacke wurde? In diesem Fall galt es als ausgemacht, dass einer seiner Nachkommen seine Position einnehmen würde, aber das war keineswegs sicher. Keiner seiner Söhne und Töchter besaß die natürliche Autorität, die man für das kaiserliche Amt benötigte.
    Niemand besaß das Recht, sein Erbe, anzutreten.
    Marie bemerkte, wie sie sich in philosophischen Gedanken verlor, und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen, das immer noch vor ihr stand und sie voller Neugier musterte.
    »Wie heißt du?«, fragte sie.
    »Ne’ne«, sagte das Mädchen.
    »Ne’ne«, wiederholte Marie und lauschte dem Klang des Namens nach. »Das klingt hübsch.«
    »Meine Mutter wollte, dass ich so heiße. Aber sie ist tot.«
    Die Augen des Mädchens schimmerten dunkel.
    »Wie ist sie gestorben?«, fragte Marie.
    Das Mädchen senkte den Kopf und raunte in verschwörerischem Tonfall. »Die Gruh haben ihren und Papas Kopf aufgemacht und daraus gegessen!«
    Marie fühlte einen Kloß in der Kehle. Ne’ne sprach ganz nüchtern über den Tod ihrer Eltern. Marie ahnte, dass es nicht fehlendes Mitgefühl war – das Mädchen hatte die Ereignisse, die erst wenige Tage zurücklagen, einfach noch nicht verarbeitet. Sie schalt sich eine Närrin, dass sie nachgefragt hatte.
    Marie betrachtete das Gesicht des Mädchens. Die Kleine war in einem Alter, in dem sie kaum begreifen konnte, was um sie herum geschah. Kinder waren ihr schon immer ein Rätsel gewesen. Sie hätte gern selbst welche gehabt, aber die Vorstellung, fest mit einem Mann zusammenzuleben und darüber womöglich die Regierungsgeschäfte zu vernachlässigen, war ihr unerträglich gewesen. Längst hatte sie sich damit abgefunden, dass sie selbst keine Kinder haben würde. Doch wenn sie jetzt in Ne’nes Augen starrte, geriet dieser Entschluss ins Wanken.
    Vielleicht könnten Nooga und ich ja eines Tages…
    Sie verbot sich den Gedanken. Wie kam sie nur auf eine solch unsinnige Idee!
    Vielleicht war es sogar besser, keine Kinder zu haben. Eine Welt, die so voller Ungerechtigkeit war wie diese, in der fahlgesichtige Ungeheuer aus der Tiefe der Erde empor stießen, um Menschen zu töten und ihre Gehirne zu verspeisen – eine solche Welt hatte
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