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VT05 - Tag der Vernichtung

VT05 - Tag der Vernichtung

Titel: VT05 - Tag der Vernichtung
Autoren: Jo Zybell
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vorn schiefergrau. Er hatte ihn aus dem Fell des Gorillas anfertigen lassen, der dank Nyangas Künsten seinen Vorgänger im Amt des Außenministers getötet hatte. Mehr als zwei Jahre war das jetzt her, und inzwischen war er nicht nur Außenminister, sondern Präsident seines Vaterlandes. Und im nächsten Jahr würde er Kaiser von Afrika sein. Doch diesen Entschluss wollte er seinem Volk erst in einer Woche, während der Silvesterfeier, mitteilen.
    Nach dem Chorgesang eröffnete Eddie die Bescherung.
    Hundertvierundsiebzig Männer und Frauen hatte der Präsident zu seiner Feier geladen, und alle bekamen ein in glänzendes Geschenkpapier gehülltes Päckchen. Eine Zeitlang war die Halle vom Rascheln des Papiers und von Oh- und Ah -Rufen erfüllt.
    Diesmal hatte Präsident Karl bei seinem deutschen Versandhaus in erster Linie Unterhaltungselektronik bestellt –Fernseher, DVD-Player, Computer und so weiter – damit ihnen die Zeit nicht zu lang würde, wenn Gott den Kometen auf die Erde geschleudert hatte und ihr Kaiser mit einem auserwählten Kreis von Getreuen besseren Zeiten entgegen schlief.
    Der Präsident selbst hatte wieder drei schwarze Jungfrauen geschenkt bekommen. Nyanga hatte sie mitgebracht. Jedes Mal, wenn Präsident Karl sie wohlgefällig betrachtete, schlugen sie die Augen nieder. Er hatte beschlossen, sie sich für seine erste Nacht als Kaiser aufzuheben, denn er war heftig in einige der weißen Models verliebt.
    »Das ist mein persönliches Geschenk an Sie, Präsident Karl.« Jan van der Groot reichte ihm ein kleines Päckchen in schwarzrotgelbem Geschenkpapier. Der Professor saß rechts neben dem Präsidenten. Inzwischen galt er als zweitwichtigster Mann im Bunker.
    Mit glänzenden Augen öffnete der Präsident das Päckchen.
    Es enthielt eine kleine Stechampulle mit fünf Millilitern grünlicher Flüssigkeit. »Es ist fertig?« Er strahlte den Professor an. »Es ist tatsächlich fertig?«
    »So gut wie«, lächelte van der Groot. Das stimmte nicht ganz – die Substanz, die der Präsident jetzt zwischen den schwarzen Fingern drehte, hatte zwei von zehn Testpersonen getötet. Sie waren zwar in den gewünschten Tiefschlaf gesunken, aber schon nach dem dritten Tag rasant gealtert und schließlich gestorben. »Ich muss noch ein wenig daran feilen. Doch nehmen sie diese Dosis als symbolisches Geschenk. Es reicht für mindestens hundert Jahre Schlaf.«
    »Unglaublich«, flüsterte der Präsident. »Wir werden die Verwüstung der Welt verschlafen.« Er hob die Stimme, und plötzlich lauschten ihm alle. »Wir werden die Eiszeit verschlafen. Wir werden den Untergang der alten Menschheit verschlafen! Und wir werden erwachen und eine neue Welt unter meiner Herrschaft erschaffen! Wir werden das Paradies erschaffen!«
    Alle – oder fast alle – applaudierten.
    Nach der Bescherung bat Eddie in die Speisehalle. Dort wurde das Weihnachtsmahl aufgetragen. Wie schon im vergangenen Jahr gab es auch diesmal wieder Flugente mit Rotkraut und Leberknödeln und dazu bayrisches Weißbier und württembergischen Rotwein.
    Nach dem Essen bat Präsident Karl seinen Professor, für Ruhe zu sorgen. Van der Groot klopfte mit der Gabel gegen sein leeres Weinglas. Stimmengewirr und Gelächter ebbten ab.
    Präsident Karl erhob sich.
    »Ich habe noch ein Geschenk für euch, und zwar für euch alle.« Er griff unter seinen Gorillapelzmantel und zog eine Rolle aus weißem Papier aus der Brusttasche seines Kampfanzuges. »Wisst ihr, was auf dieser Schriftrolle steht?«
    Er zog die Rolle auseinander; sie war mindestens drei Meter lang. »Die Namen all derjenigen, die Gottes kleinlichen Privatkrieg gegen mich in diesem Bunker überleben werden! Dreitausenddreihundert Namen!«
    Der Präsident machte eine Kunstpause, und auf einmal herrschte Totenstille in der Speisehalle. Kein Glas klirrte, kein Besteck klapperte, niemand sprach, niemand flüsterte und vermutlich atmete auch niemand. Der Präsident streckte die Rechte aus und zeigte in die Runde und rief: »Und eure Namen sind dabei! Alle!«
    Jubelschreie und donnernder Applaus erhob sich.
    Nach der Weihnachtsfeier schritt Präsident Karl an der Spitze seiner Festgesellschaft zum Hauptlift. Die meisten Männer und Frauen der Prozession wankten. Bayrisches Bier und württembergischer Wein hatten ihr Blut erhitzt und ihren Gleichgewichtssinn beeinträchtigt. Und einigen hatte der Alkohol auch das Blut in Wallung gebracht.
    Unter anderem dem Präsidenten. Er war sehr erregt, denn er hatte
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