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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde
Autoren: Michael M. Thurner
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Erholung wieder schwer.
    Rasch blickte er sich um, mit dem Kopf in Richtung der drohenden Absturzkante treibend, bevor ein weiterer Schwall an Erdmasse, Wasser und Blattwerk über sie hinweg rollte.
    Links von ihnen ragte ein schwarzer Felsen hoch. Wie ein einsames Mahnmal wirkte er, so knapp vor dem Abgrund zur Großen Grube. Äste und Baumwurzeln hatten sich dort verkeilt und bildeten eine Art Damm, von dessen Rändern immer wieder Material wegbrach und sich neues verkeilte. Ringsum brodelte und kochte das Schlammwasser, bildete kleine und große Wirbel. Wenn sie den natürlichen Damm erreichen konnten, wären sie in Sicherheit…
    »Rutsch an meinen Armen hinab, so weit wie möglich!«, rief Kinga Zhulu zu.
    Der Quarting fragte nicht lange und tat einfach, wie ihm geheißen. In dieser Situation gab es keine Prioritäten, keine Hackliste, an der sich der Bessergestellte festhielt. Zhulu ließ sich an Kingas Oberkleid hinab gleiten. Vorsichtig, und dennoch mit der notwendigen Grifffeste, bis sie sich an den Händen packen konnten.
    Kinga wartete einen weiteren Erd- und Wasserschwall ab, bevor er seinen Körper in pendelnde Bewegungen versetzte. Mit aller Kraft in Oberkörper und Bauchmuskulatur verstärkte er das Schwungmoment.
    Zhulu verstand augenblicklich, worauf er hinauswollte, und half eifrig mit. Ein Ast, so dick wie ein Arm, sauste knapp an Kinga vorbei. Er zerschlitzte die Wange des älteren Kriegers. Kein Schmerzenslaut kam dem Quarting über die Lippen, während er immer weiter nach außen pendelte.
    Jetzt! , dachte Kinga, wollte loslassen. Doch sein Mentor war noch nicht bereit, wartete einen weiteren Schwung ab, bevor er sich mit aller Kraft zur Seite warf.
    Er drehte sich in der Luft, geschickt wie eine Raubkatze, landete knapp neben dem Gehölz. Kinga tauchte, vom Schwung des Partners getragen, neuerlich tief ab und konnte seine Beine nur mit größten Schwierigkeiten an seiner Verankerung belassen.
    Als er schwer nach Luft schnappend wieder hoch kam und sich den Schlamm aus den Augen gewischt hatte, war Zhulu bereits in Sicherheit. Er lag so flach wie möglich im aufgestauten Holzdamm, holte tief Atem und kniete sich schließlich vorsichtig nieder. Unendlich langsam, so schien es Kinga, zog er einen längeren Ast aus dem Gewirr hervor und schob ihn in seine Richtung.
    Zu kurz.
    »Du musst loslassen!«, rief ihm Zhulu zu.
    Den letzten Halt aufgeben, in die Fluten springen und darauf hoffen, dass der Zorn der Himmelsgötter besänftigt war?
    Längeres Warten und Nachdenken würden seine Situation nur verschlechtern. Das Wasser stieg weiterhin. Es brachte ungeheure Mengen von Schwemmmaterial aus dem Hinterland mit sich. Dort, wo der Sturm bereits vor einer Stunde oder länger getobt hatte.
    Kinga ließ seinen Körper in die richtige Richtung pendeln und warf sich mit einer letzten Kraftanstrengung zur Seite. Blindlings griff er nach dem Holzstück. Achtete nicht darauf, dass spitze Dornen sein Fleisch durchbohrten. Scherte sich nicht, als er von einem vorbei treibenden, in Todesangst wahllos um sich schnappenden Oottar ins Bein gebissen wurde. Mit all seinem Willen hielt er sich fest, zog sich Stück für Stück am Ast empor, während ihm Zhulu gleichzeitig mit knirschenden Gelenken half.
    Der Damm war erreicht. Seine nackten Füße fühlten Holz und Stein. Der Zug der Wassermassen ließ nach.
    Kinga gelangte in das Gewirr der Äste. Er und Zhulu schoben und hievten sich hinauf auf den Fels, der seit Menschengedenken hier zu ruhen schien, kletterten bis an seine Spitze, die gut und gern drei Mannslängen über den Rest des Landes reichte.
    Rings um sie war eine einheitliche braune Masse, die schlussendlich blubbernd und brüllend in den Abgrund der Großen Grube stürzte. Das Erntefeld, vom dem aus sie hierher hinabgerutscht waren, war zu einem Viertel weg gebrochen. Weiter oben, so schien es, hatten sich Menschen versammelt, um ihren verzweifelten Kampf auf Leben und Tod gegen die entfesselten Naturgewalten zu beobachten.
    Der Sturm indes war weiter gezogen, trug seine Fracht nunmehr dem fernen Ozean entgegen.
    Kinga sank nieder und umarmte dankbar den Felsbrocken, der ihnen das Leben gerettet hatte. Der Übergang zur Ohnmacht geschah langsam und unbemerkt. Irgendwann endete sein Denken, und er schlief ein.
    ***
    Er erwachte. Bedächtig griff er um sich. Tastete in der Dunkelheit nach Asseln, Käfern und Spinnen. Irgendetwas blieb zwischen seinen Fingern hängen.
    Er nahm das zappelnde Etwas, führte
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