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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels
Autoren: Gear & Gear
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und dankte den Geistern, dass sie Wärme geschickt und den Schnee aufgehalten hatten. Fußspuren hätten sie allzu schnell verraten. Ihre Zehen bohrten sich in den aufgeweichten, Laubbedeckten Boden.
    Bei der großen Buche, auf deren einst glatter Rinde die Zeichen der Jahre deutlich zu sehen waren, hielt sie inne, um Atem zu holen. Sechs Männer wären nötig gewesen, um Fingerspitze an Fingerspitze, den Stamm zu umfassen. Dann lief sie im Schatten anderer Baumriesen weiter. Eine Wanderdrossel zwitscherte hoch oben in dem Baldachin kahler Zweige und ein Eichhörnchen huschte über einen Baumstamm.
    Der Morgen nahte, die Zeit wurde knapp.
    Rote Schlinge holte tief Luft und lief schneller. Sie musste jetzt nur den Hügelkamm überqueren und dann auf der anderen Seite den steilen Pfad hinab…
    »So habe ich mir das vorgestellt«, rief plötzlich eine vertraute Stimme hinter ihr. »Es liegt einfach im Blut.«
    Rote Schlinge fuhr keuchend herum, und ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr, als eine Gestalt mit einem Umhang aus dem tiefen Schatten eines Nussbaums hervortrat.
    »Was tust du hier? Solltest du nicht eigentlich in deinem…«
    Mit unglaublicher Geschwindigkeit kam der Angreifer heran. Rote Schlinge erhaschte noch einen Blick auf die Kriegskeule, hörte ein schrilles Pfeifen, als sie die Morgenluft durchschnitt.
    Das laute Krachen splitternder Knochen hallte durch den Nebel.

Zwei
    Muschelkamm, die älteste Tochter von Jagender Falke zögerte, als sie aus dem schattigen Einlass des Hauses der Toten hinausschaute. Sie musste zuerst ihre Fassung zurückgewinnen.
    Heute begann ein neues Leben für sie. Sie war geläutert und von den Fehlern der Vergangenheit freigesprochen worden und hatte den Preis, den man ihrer Seele abverlangt hatte, bezahlt. Sie konnte von Neuem beginnen und leben, wie es sich für eine Tochter der Weroansqua schickte. Sie hatte sich selbst bewiesen, dass sie der Ehrfurcht gebietenden Verantwortung der Macht würdig war. Dennoch wischte sie nervös ihre Hände an ihrem Hirschlederhemd ab, als sie auf die Lichtung vor dem Einlass blickte.
    Auf dem Platz herrschte geschäftiges Treiben. Rosenknospes Tochter, Weißer Otter, trug einen Wasserkrug zum Tor. Blauer Mond urinierte gerade hinter seinem Haus. Er war zu alt und zu blind, um den Weg außerhalb der Palisaden zu finden. Erstaunt beobachtete Muschelkamm, wie der Große Tayac, Kupferdonner, durch den Palisadeneinlass glitt, sich verstohlen umschaute und mit energischen Schritten zum Großhaus von Jagender Falke ging.
    Muschelkamm hustete und rieb ihren wunden Hals.
    Wo ist er gewesen? Warum hat er das Dorf verlassen? Der Große Tayac hatte hier keine Bundesgenossen und würde auch keine finden, solange er nicht durch ordnungsgemäße Heirat mit dem Grünstein-Clan verbunden war. Wann hatte er das Dorf verlassen? Kalte Schauer liefen über Muschelkamms Rücken. Wenn seine Abwesenheit Ärger bedeutete, würde sie sehr bald davon erfahren.
    Jetzt, da ein Lebensabschnitt zu Ende war und ein neuer begann, benötigte sie ihren ganzen Verstand. Diesmal würde sie gescheiter sein; mit einem letzten Nadelstich war ein Sack zugenäht worden, der viel zu lange geöffnet war. Aber weshalb machte ihr Herz Sprünge, warum bebten ihre Muskeln?
    Sie vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete, und trat dann ins Freie, um den neuen Tag zu begrüßen. Mit äußerster Beherrschung zwang sie sich, über den Platz zum Großhaus zu gehen. Die Wächter, Pfähle mit geschnitzten Menschen- und Tiergesichtern, sahen zu, wie sie an der rauchenden Feuergrube in der Mitte des Platzes vorüberging. Hier hatten die Tänzer in der vergangenen Nacht den Boden festgetreten.
    Spottdrossel trottete auf sie zu. Der alte Mann hörte sie husten, und im schwachen Morgenlicht blinzelnd schaute er sie an.
    »Musst was dagegen tun, Mädchen«, sagte er warnend. »Bei dieser Kälte solltest du nicht draußen sein.«
    »Vielen Dank, Ältester«, erwiderte Muschelkamm und eilte an ihm vorbei.
    Das Großhaus von Jagender Falke lag eingebettet in den ausladenden Zweigen dreier Maulbeerbäume, und dies war ein Hinweis auf den Stand der Besitzerin. Das Haus selbst bestand aus zwei Reihen Robinien, zwischen denen beschnittene junge rote Zedern wurzelten. Die Spitzen waren zusammengebogen und so miteinander verbunden, dass sie ein umgekehrtes U bildeten. Querstreben aus Rotahorn, mit biegsamen gelben Kiefernwurzeln ans Fachwerk gebunden, gaben dem Rahmen Festigkeit; das ganze Haus
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