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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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geschah zu einer Zeit, bevor das Fach Volkswirtschaft wegen seiner glänzenden Aussichten so populär geworden war. Es war eine Zeit, in der die Jugendlichen mit der Absicht zur Schule gingen, »etwas ganz anderes« zu machen, ihrem Herzen zu folgen und wunderbare neue Dinge zu erfahren, und kein Interesse hatten zu lernen, wie man viel Geld verdient.
    »Du vergeudest nur deine Zeit«, hatte ihm sein Vater, ein amtlich zugelassener Wirtschaftsprüfer, vorgeworfen. »Was soll denn das? Archäologie? Mein Junge, denk mal dran, daß du deinen Lebensunterhalt verdienen mußt! Daß du an die Zukunft denken mußt!«
    »Aber Dad, wie soll ich denn wissen, wohin ich gehe, solange ich nicht einmal den Weg sehen kann, der mich dahin geführt hat, wo ich jetzt stehe? Ich möchte wissen, woher wir gekommen sind! Was uns zu Menschen gemacht hat!«
    Trotz seiner Jugend hatte er schon gewußt, daß die Menschen verloren wären, wenn sie ihre Vergangenheit mißachteten und deren Bedeutung für die Gegenwart verleugneten. Die Zivilisation war wie ein flachwurzelndes zartes Pflänzchen, das dauernde sorgsame Pflege brauchte, wenn die Wurzeln nicht verdorren und absterben sollten.
    »He, Bill, aufwachen!« rief Ed Smith, der Ingenieur vom Transportministerium, und riß Bill Jaffman aus seinen Gedanken.
    »Was gibt's denn, Ed?«
    Smith war von der Hauptstadt geschickt worden, pflichtgemäß mit Landkarten, Lageplänen und einem Stapel verschiedenfarbiger Vermessungsunterlagen ausgestattet. Er trug stets ein etwas schmuddeliges weißes Hemd und in der Hemdtasche ein Plastiketui für Stifte.
    Sein graues Haar war immer kurz geschnitten; eine dicke, schwarz eingefaßte Brille beherrschte sein schmales Gesicht.
    Anne Seibowitz, Direktorin der staatlichen Parks und Erholungsstätten und Bills Vorgesetzte, stand mit verschränkten Armen rechts neben Smith. Sie trug einen lavendelfarbenen Rock aus Kammgarn, der ihr bis zu den Waden reichte, und einen braun-grauen Pullover. Ihre spitze Nase fiel Bill immer wieder auf, sie sah aus, als hätte jemand ihre Nasenspitze mit einer Wäscheklammer zugezwickt. Ihr schwarzes, graumeliertes Haar war kurz geschnitten und gewellt, ihrer Stellung und ihrem Alter entsprechend. Jetzt wippte sie mit den Füßen, die in italienischen Stiefeln steckten, leicht hin und her, unempfänglich für das Gras, die Bäume und ganz sicher auch für das Flehen der Geistwesen. Ihre eigentliche Aufgabe, abgesehen vom Erbetteln staatlicher Geldmittel, war die Überprüfung der Besucherzahlen, das Kassieren von Benutzungsgebühren und dafür zu sorgen, daß die öffentlichen Toiletten sauber waren.
    Anne gegenüber stand Roy Roman, der Assistent des Gouverneurs. Er war etwa vierzig Jahre alt, hatte blonde Haare und trug ein hellblaues Hemd, eine dunkelblaue Krawatte und ein braunes Tweedjackett mit Lederflecken an den Ellbogen - modisch der letzte Schrei für eine Expedition auf gepflasterten Wegen in das wilde Hinterland eines Nationalparks.
    Roman stützte die Hände in die Hüften und sagte: »Also, dann wollen wir mal. Der Gouverneur ist an einer Lösung für unser kleines Problem sehr interessiert. Über dieses Ausbauprojekt haben wir uns von vielen Leuten eine Menge anhören müssen. Dummerweise ist die ganze Angelegenheit derart außer Kontrolle geraten, daß wir jetzt schon Anrufe von den Verbänden der Ureinwohner bekommen.
    Vielleicht, weil diese Soap-Leute sich eingemischt haben.«
    »Soap-Leute?« fragte Ed Smith, und seine dicken Brillengläser verstärkten noch seinen erstaunten Ausdruck. »Was hat denn Soap damit zu tun? Wir bauen eine Autostraße, Herrgott noch mal.«
    »SOPA«, erklärte Bill, das ist die Society of Professional Archaeologists - die Gesellschaft ausgebildeter Archäologen. Ihr glaubt doch nicht im Ernst, daß ihr eine Adena-Hopewell-Anlage von dieser Bedeutung dem Erdboden gleichmachen könnt, ohne in ein Wespennest zu stechen. Dieser Park ist doch nur dazu da, diesen Erdwall zu schützen.«
    »Wir schützen diesen Erdwall«, sagte Ed mit Nachdruck. »Der beanspruchte Geländestreifen ist genau achteinhalb Meter breit und zwei Handbreit vom Rand des Erdwalls entfernt. Hör mal, wir haben uns doch alles angesehen. Auf dem Gelände, das wir planieren wollen, gibt's nur Gras. Dem Erdwall passiert gar nichts.«
    Bill verschränkte die Arme über der Brust und versuchte, die Übelkeit zu unterdrücken, die er bei jedem Windstoß fühlte. »Also bitte«, sagte er, »ich habe das immer wieder
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