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Vorsaison

Vorsaison

Titel: Vorsaison
Autoren: Kristine Weitzels
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ich nächstes Jahr im
Sommer zurück nach Lloret käme. Doch darauf wusste ich ihm keine Antwort zu
geben.
     
    Ich musste wieder rennen und der Bus
stand schon vor dem Hotel, als ich angerannt kam. Meine Tasche hatte meine
Kusine schon einladen lassen. Wir waren jedoch noch nicht ganz aus Lloret de
Mar heraus, als Sonja und meine Kusine, die eine Reihe hinter mir saßen, beide anfingen
zu heulen. Ihre beiden Fußballer kamen nämlich aus Süddeutschland, was ein
Wiedersehen erschweren würde. Wie sich dann später jedoch herausstellte waren
beide zu Hause auch in festen Beziehungen. Sonja fand dies heraus, nachdem sie
die Telefonnummer ihres Fußballers ausfindig gemacht hatte. Ich war jedenfalls froh,
dass wir weiter hinten im Bus saßen und der Sitz neben mir frei blieb. Aber obwohl
ich es mir bequem machten konnte und hundemüde war, machte ich auf der ganzen
Rückreise kein Auge zu.

Kapitel II: Wo ein Wille ist, gibt es
auch mindestens eine Möglichkeit.
     
    Als wir am nächsten Morgen wieder die
Grenze zu Deutschland passierten, fasste ich einen Entschluss und einen Plan
hatte ich auch schon. Während der ganzen Fahrt über war mir immer wieder Renées
letzte Frage im Kopf herumgespukt: Ob ich nächstes Jahr wiederkäme? Ja,
ich hatte beschlossen wiederzukommen! Doch das hatte nicht wirklich etwas mit Renée
zu tun. Irgendwie hatte er mir die Augen geöffnet oder meinetwegen auch etwas
ausgelöst — abgesehen von den Orgasmen. Ich mochte ihn, aber ich war sicher
nicht verliebt in ihn. Dass ich nach Lloret de Mar zurück wollte, hatte andere
Gründe. Ich hatte mich dort ausgesprochen wohl gefühlt; das Wetter, der hübsche
kleine Ort direkt am Meer und auch die Leute, die ich dort kennengelernt hatte,
mochte ich alle. Außerdem kannte ich nichts anderes, musste mir aber
gleichzeitig einen Ort suchen, der weit genug von zu Hause weg war und wo mein
Freund mich nicht so schnell vermuten oder finden würde. Darüber, dass ich in
Lloret wohlmöglich keine Arbeit finden könnte, machte ich mir keine Gedanken.
Lloret war ein Touristenort und ich hatte immerhin Hotelfachfrau gelernt. Ich
sprach Deutsch, Englisch und Französisch fließend und beschloss, mich auch gleich
bei der Volkshochschule für den nächsten Spanischkurs anzumelden. Innerhalb von
20 Stunden Busfahrt hatte ich jeden weiteren Schritt bis zu meiner Rückkehr
nach Lloret minutiös geplant und durchdacht. Selbst der Zeitpunkt meiner
Rückkehr stand schon fest.
     
    Eigentlich hätte mein Freund mich am
Bus abholen sollen, doch er erschien nicht. Stattdessen wartete meine Mutter
dort und erklärte ärgerlich, mein Freund habe bei ihr angerufen und gesagt, er
könne mich nicht abholen, weil er kein Geld zum Tanken habe. Unglücklicherweise
hatte mein Stiefvater von einem Nebenapparat aus das Gespräch mit angehört und
meine Mutter fragte, ob ich mir vorstellen könnte, was bei ihr zu Hause deshalb
los sei. Ich nickte. Ja, das konnte ich mir nur zu gut vorstellen. Wahrscheinlich
war mein Stiefvater ausgerastet! Ehrlich gesagt, wunderte es mich auch
ziemlich, dass meine Mutter sich ihm gegenüber behauptet hatte und trotzdem
hergekommen war. Doch seit einiger Zeit litt sie an Depressionen, bekam deshalb
auch Medikamente und ging nun regelmäßig jede Woche zur Psychotherapie.
Vielleicht war ihr Verhalten damit zu erklären. Ein Nachteil dieser Therapie,
zumindest in meinen Augen, war jedoch, dass meine Mutter auch anfing, sich mit
der Zeit auseinanderzusetzen, als ich noch ein Kind gewesen war. Durch die
Therapie realisierte sie allmählich, was damals alles falsch gelaufen war und
war nun ständig darauf aus, dass ich ihr vergeben sollte. Es half auch nicht,
wenn ich ihr jedes Mal wieder sagte, dass es da nichts zu vergeben gab. Das
alles war lange her und irgendwie war ich ja trotzdem groß geworden. Meine Mutter
fing daraufhin jedes Mal zu heulen an und meinte, sie sähe aber, dass ich nun
die gleichen Fehler machen würde, wie sie selbst damals, was ihr schrecklich
Leid täte — und schon waren wir wieder bei dem Thema, ob ich ihr je verzeihen
könnte! Das war auch an diesem Tag nicht anders. Doch diesmal sagte ich ihr,
dass sie tatsächlich etwas tun könnte, das ihr vielleicht wieder ein Stück mehr
Seelenfrieden zurückgeben würde. Wie auch schon mit den 5.000 DM, nutzte ich
die Schuldgefühle, die meine Mutter in der letzten Zeit mir gegenüber
entwickelt hatte, nun ein wenig für meine Zwecke aus. Ich bat meine Mutter,
mich statt zu meinem
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