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Vorsaison

Vorsaison

Titel: Vorsaison
Autoren: Kristine Weitzels
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auch das sollte ich alles erst viel später ergründen. Und
auch, zu was ein gekränkter Animateur, denn nichts anderes ist ein Propper ja,
fähig ist.
     
    Die Discotheken schlossen in der
Regel zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens, außer das „St. Trop‘“, wo in den
frühen Morgenstunden immer richtig was los war! Aber es gab auch noch einige
Bars oder Bodegas, die dann erst richtig voll wurden. In eine dieser Bodegas
gingen die Propper früh morgens auch gerne, um einen boquadillo zu essen
und Billard zu spielen. (Boquadillo: Belegtes Baguette, jedoch nicht mit
Butter bestrichen, sondern mit einer Fleischtomate eingerieben und mit Salz und
Pfeffer gewürzt. Dazu als Belag vorzugsweise Käse, Salami oder Schinken.) Entweder
man traf sich noch in dieser Bodega oder man ging noch auf einen Sprung ins
„St. Trop‘“, wo hinter verschlossenen Türen oft  bis 7.00 Uhr morgens
durchgetanzt wurde. Wenn man allerdings ein Auto hatte, fuhr man auch schon mal
ins „El Reno“.
     
    Durch Ernie kam ich in diese Bodega und
natürlich ins „St. Trop‘“ und so lernte ich auch einige der Propper aus den
anderen Discotheken kennen. Eigentlich waren all diese Typen sehr nett und viele
von ihnen auch sicherlich nicht dumm. Und manche von ihnen waren auch
tatsächlich so cool, wie sie nach außen hin vorgaben! Allerdings hatten viele von
ihnen Alkohol- und/oder Drogenprobleme und Joints oder Koks gab es massenweise.
Meine Eltern hatten dem Alkohol immer sehr zugesprochen und auch mein Freund zu
Hause tat es. Für mich ging Alkoholkonsum immer einher mit Kontrollverlust und das
war der Grund, warum ich immer einen großen Bogen darum gemacht hatte. Auch was
die Drogen anging, so fand ich, dies war nichts für mich. Zwar rauchte ich,
wenn auch nur gelegentlich — aber einen Joint rauchen oder gar Kokain durch die
Nase ziehen, widerstrebte mir irgendwie.
     
    ***
     
    Dann sah ich das rote
Wildlederkleidchen in einem Laden. Meine Kusine, Sonja und ich liefen freitags am
Abend vor unserer Abreise nochmal durch die Stadt. Das Kleidchen — nicht mehr
als ein ausgefranster Fetzen Fensterputzleder, den man rot eingefärbt hatte,
war ein Traum. (Modell Wilma Flintstone, nur eben in Rot und nicht in Weiß.) Ich erfüllte mir diesen Traum und kaufte die passenden roten Westernstiefel
gleich dazu. Abends lieh ich mir Sonjas Heiß-Lockenwickler und zauberte mir aus
meiner Hausfrauendauerwelle eine blonde Löwenmähne. Geschminkt hatte ich mich
zwar nie sehr viel, aber wenn ich ehrlich war, so hatte ich in den letzten drei
Jahren auch kaum noch Wert auf mein Äußeres gelegt. Doch erst jetzt wurde mir
dies so richtig bewusst — als ich mich nämlich zum ersten Mal seit scheinbar
endlos langer Zeit wieder aufmerksam im Spiegel betrachtete! Trotz meiner
Urlaubsbräune hatte ich immer noch leichte Ringe unter den Augen. Es wurde
wirklich höchste Zeit, etwas an meiner Situation zu ändern, denn jemand der
glücklich war, sah einfach anders aus!
     
    Ein bisschen nervös, so aufgetakelt
zu sein, ging ich gegen Mitternacht wieder ins „Hollywood“. (Nur waschechte
Touristen betreten eine spanische Discothek vor Mitternacht. Die Einheimischen
kommen immer erst später.) Meine Kusine und Sonja waren nur ein einziges
Mal dort gewesen und ihnen hatte die Discothek nicht gefallen. Überhaupt hatten
die beiden nicht viel vom Nachtleben in Lloret de Mar mitbekommen. Beide hatten
sich nämlich in Fußballspieler aus unserem Hotel verguckt. Wenn sie nicht
zusammen zum Strand gingen, begleiteten sie die Fußballer zum Training oder zu
ihren Spielen gegen die anderen Mannschaften, welche sich zu der Zeit ebenfalls
in Lloret aufhielten. Doch so wie eine große Anzahl von deutschen Männer
scheinbar kleinere, dunkelhaarige Frauen bevorzugten, so sehr bevorzugten die
Spanier scheinbar große Frauen mit blonden Haaren — wie mich. Jedenfalls konnte
meine Kusine bei den Spaniern überhaupt nicht landen und wurde zu ihrem
Ärgernis auch oft für eine Spanierin gehalten, obwohl ihr Vater Grieche war.
     
    Im „Hollywood“ stand ich an diesem
Abend, mit meinem roten Wilma-Flintstone-Outfit zum ersten Mal wirklich
irgendwo im Mittelpunkt. Und wenn ich ehrlich war, genoss ich es mehr, als dass
ich mich unwohl fühlte.
     
    Für gewöhnlich las ich abends in
meinem Hotelzimmer bis es Zeit wurde, mich zurechtzumachen. Kurz vor
Mitternacht machte ich mich dann auf den Weg ins „Hollywood“. Jeder dort hielt
mich allerdings für Ernies Freundin. Dies
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