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Vorsaison

Vorsaison

Titel: Vorsaison
Autoren: Kristine Weitzels
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hatte jedoch auch durchaus Vorteile!
So brauchte ich zum Beispiel nicht, wie die anderen Touristen, draußen in der
Reihe anstehen, bis Alonso, der Türsteher, sich gnädig zeigte und wieder einen
Schwung hineinließ. Wenn Alonso mich sah, öffnete er die Tür, winkte mir und
zog mich dann gegebenenfalls durch die Menge hinein. Teilweise natürlich unter dem
Protest der Wartenden. Alonso sah einfach umwerfend aus, auch wenn mich sein
extrem muskulöser Körper ein wenig erschreckte. Jedenfalls damals noch. Alonso war immer freundlich, aber auch sehr unterkühlt — bis zu diesem Abend.
Ich hatte wie immer mit gracias geantwortet, nachdem er mich durch die
Menge hindurch hereingezogen hatte. Diesmal jedoch hatte er mich nicht wie
sonst einfach wieder los gelassen und dabei eher wie beiläufig mit de
nada-nichts zu danken geantwortet . Diesmalhielt er mich
fest, musterte mich von oben bis unten und schmunzelte dann.
    >>Und du bist Ernies
Freundin?<<, fragte er leicht spöttisch. Zuerst war ich überrascht, weil
er so gut Deutsch sprach, doch dann schüttelte ich den Kopf.
    >>Nein<<, erwiderte ich.
>>Ich bin sicher nicht Ernies Freundin , aber wir sind
Freunde — wenn du das meinst!<<
    Ich mochte Alonsos arrogante und
überhebliche Art nicht. Doch er lachte bloß und meinte: >>Freunde, ja
natürlich!<<
     
    Meinetwegen sollte er doch denken,
was er wollte. Ich nickte dem Kassierer zu und ging die lange Treppe hinunter
und dann durch den schweren, roten Vorhang, hinter dem die Discothek lag.
Gleich rechts gegenüber der Tanzfläche befand sich eine Theke. Diese Theke
wurde von den Angestellten nur als barra uno-Theke Eins bezeichnet . An
ihr hatte die rassige Margaritha das Sagen. Margaritha träumte davon, dass ein
reicher Tourist — vorzugsweise ein Schweizer — vorbeikäme und sie mitnehmen und
heiraten würde. Wie so viel der Leute, die im Tourismus tätig waren, arbeitete Margaritha
sieben Tage in der Woche. Nur selten gönnte sie sich einmal einen freien Tag,
den sie dann auch nicht bezahlt bekam. Geld gab es nur, wenn man dafür auch
arbeitete. Bezahlten Urlaub kannte man nicht und wenn man krank wurde, hatte
man ebenfalls ein Problem. Wenn ich nicht mit Margaritha oder Juanito
plauderte, dann tanzte ich und weil anscheinend jeder dachte, dass ich etwas
mit Ernie am Laufen hätte, wurde ich auch nicht angebaggert — bis zu jenem
letzten Abend jedenfalls.
     
    Aber anscheinend wusste auch niemand
außer mir, dass Ernie in Wirklichkeit schwul war. Das „Hollywood“ schloss immer
erst um 5.00 Uhr und so saß ich in dieser Nacht noch lange, nachdem Ernie schon
gegangen war, an Margarithas Theke und dachte nach. Ernie hatte mir zum
Abschied seine Adresse aufgeschrieben und die Telefonnummer des „Hollywood“. All
die Abende zuvor waren wir zusammen noch ins „Graffiti“ oder ins „St.Trop’“
gegangen und danach auch manchmal noch in die Bodega mit den leckeren boquadillos .
Immer war ich erst im Hellen zurück ins Hotel gekommen, hatte zwei, drei
Stunden geschlafen und war dann zum Strand gegangen. Abends hatte ich dafür oft
auf das Abendessen verzichtet und stattdessen wieder ein paar Stunden
vorgeschlafen. Doch an meinem letzten Abend konnte ich nicht mit Ernie
ausgehen. Mittlerweile war es Viertel vor fünf oder für mich wohl eher fünf vor
zwölf. Morgen um diese Zeit wäre ich schon fast wieder zu Hause und bislang
hatte ich den Gedanken daran einfach verdrängt. Alleine schon bei der
gedanklichen Formulierung: zu Hause, wurde mir schlecht! Ein Zuhause
sollte sich wirklich anders anfühlen, dachte ich so bei mir. Aber wie
sollte es weitergehen? Ich wusste nur eines — so, wie bisher konnte es nicht
mehr weitergehen und ich musste weg. Weg von meinem vermeintlichen Zuhause und vor allen Dingen auch weg von meinem Freund! Er machte mich seelisch krank. Das jedenfalls war mir in Lloret so richtig klar geworden! Trotzdem
benötigte ich noch einen allerletzten Schubser… .
     
    Dieser Schubser hieß Renée und kam um
fünf vor fünf. Er stellte sich ebenfalls an die barra uno , ohne mich dabei
aus den Augen zu lassen, und genauso bestellte er sich bei Margaritha etwas zu
trinken. Dann nahm er sein Glas — den Blick immer noch auf mich gerichtet und
kam zu mir. Fünf Minuten später verließen wir zusammen das „Hollywood“. Alonso
öffnete die Tür und gab sich redlich Mühe, dabei wie immer cool zu bleiben und keine
Miene zu ziehen. Aber es fiel ihm anscheinend schwer, vielleicht auch, weil
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