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Vorsaison

Vorsaison

Titel: Vorsaison
Autoren: Kristine Weitzels
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brauchte
ziemlich lange dafür. Denn alles kam ganz anders.
     
    ***
     
    Am Strand von Lloret de Mar hatte ich
eines Tages eine lange Narbe bei Sonja bemerkt, die unter ihrem Bikinioberteil
hervorlugte. Als ich sie danach befragte, erzählte sie mir, dass sie Brustkrebs
gehabt hatte. Ich erschrak, denn Sonja war noch so jung. In meiner Vorstellung
bekamen nur wesentlich ältere Frauen Krebs. Dann fragte ich Sonja, wie sie denn
überhaupt gemerkt hätte, dass sie krank sei. Sie berichtete von dem Knoten und
dem Stechen. Mich hatte dabei schon während der letzten Minuten ein mulmiges
Gefühl beschlichen gehabt. Doch dann wurde mir richtig übel und mit belegter
Zunge hatte ich gesagt, dass auch ich einen Knoten hätte. Auch das Stechen war
mir nicht fremd. Sonja hatte gefragt, ob sie mal fühlen dürfte. Danach hatte
sie gemeint, ich solle mir mal nicht zu viele Sorgen machen, aber es wäre gut,
wenn ich gleich nach unserer Rückkehr zu einem Arzt ginge. Ich sagte, das hätte
ich schon getan. Ich war bei meinem alten Hausarzt gewesen, der mich schon als
Kleinkind gekannt hatte und der dann auch bereit gewesen war, mir die Pille zu
verschreiben. Bei einem Frauenarzt war ich bis dahin noch nie gewesen
und Sonja gab mir die Adresse und Telefonnummer ihres Gynäkologen. Mein
Hausarzt hatte zu der Geschwulst lediglich gemeint, dies sei wohl ein
geschwollener Lymphknoten oder ein Fettabszess und beides sei harmlos.
     
    Nach meiner Rückkehr aus Lloret de
Mar, hatte ich noch bis Ende des Monats frei. Mein Lehrvertrag war abgelaufen
und mein neuer Arbeitsvertrag würde erst zum 01. Oktober 1983 in Kraft treten.
Also rief ich gleich am Montagmorgen bei Sonjas Gynäkologen an und bekam noch
am selben Tag einen Termin. Zuvor hatte ich den Vater meines Ex-Freundes
angerufen und ihm gesagt, dass ich nicht mehr zu seinem Sohn zurückkehren
würde. Darüber, wo ich mich aufhielt, ließ ich ihn im Dunkeln. Mein Ex-Freund
wusste, dass mein neuer Arbeitsvertrag im Hotel erst in einer Woche anfing,
somit bestand für ihn also im Moment auch noch kein Anlass, sich dort blicken
zu lassen. So hoffte ich zumindest. Ich wusste auch, dass mein Job die größte
Schwachstelle war, wo mein Ex mir hätte auflauern können. Zumal ich kein Auto
hatte und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen war. Zwar hatte ich einen
Führerschein, den hatte mir meine Oma zum achtzehnten Geburtstag bezahlt, aber
für ein eigenes Auto hatte es leider nie gereicht. Ich wusste auch, dass ich
mit meiner Chefin im Hotel würde reden müssen, denn ehrlich gesagt, hatte ich
auch nicht mehr vor, noch allzu lange dort zu arbeiten. Eigentlich nur noch ein
paar Monate, gerade so lange, um ein wenig Geld zu verdienen, bevor ich nach
Lloret zurückkehren wollte. Und ich wollte wieder in Lloret sein, bevor im
nächsten Jahr zu Ostern die neue Saison starten würde. So hätte ich auch noch
genug Zeit, mir dort eine Arbeit zu suchen.
     
    Doch schon einen Tag später lag ich
im Krankenhaus. Zwei Tage später wurde ich operiert und der Tumor wurde dabei
entfernt. Die Wunde wurde bestrahlt und man sagte mir, dass ich Glück im
Unglück hätte und keine Chemo bräuchte. Mir sagte das alles sehr wenig und ich
habe damals auch wenig beziehungsweise kaum etwas hinterfragt. Mir war nur
wichtig, dass es kein Brustkrebs gewesen war und die Erinnerung an diese Zeit
ist irgendwie wie in Watte verpackt. Mein Vertrauen in Ärzte war damals noch grenzenlos
und ich hatte wohl tatsächlich großes Glück. Auch, weil ich an einen sehr guten
Chirurgen geriet und nicht viel mehr als eine Narbe, die von der linken
Achselhöhle bis zum Ansatz der linken Brust verlief, von der OP übrigblieb. Relativ
naiv ging ich davon aus, nach der OP wieder gesund zu sein und so kam mir auch
gar nicht in den Sinn, dass ich erneut krank werden könnte. Ich hatte keine
Angst davor, wenn auch aus Naivität — dennoch funktionierte es. Sonja war die
einzige, der ich davon erzählte und die mich auch im Krankenhaus besuchte. Ihr Gynäkologe
hatte mich gleich nach seiner Untersuchung für den nächsten Tag im Krankenhaus
zu einer Computertomografie angemeldet. Dort hatte man mir dann erklärt, die
Geschwulst müsse umgehend entfernt werden und mir angeboten, gleich da zu
bleiben, um die OP zügig zu veranlassen. Also hatte ich wieder einmal meine
Mutter anrufen müssen, um sie zu beten mir ein paar Sachen ins Krankenhaus zu
bringen. Alles was ich nun noch besaß, waren die Sachen, die ich auch mit nach
Lloret de
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