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Vorn

Titel: Vorn
Autoren: Andreas Bernard
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auf jeden Fall vor dem Einsetzen
     der verzerrten Gitarren auf der Tanzfläche sein wollten. Es war faszinierend, wie selbstverständlich sich ihre Laufschritte
     in die ersten Tanzbewegungen verwandelten. Dagegen der Junge mit dem weißen
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T-Shirt ein paar Meter weiter, offenbar auch ein Smashing-Pumpkins-Fan: Vorsichtig näherte er sich der Tanzfläche, stellte
     zuerst probeweise ein Bein hinein, als wäre sie ein eiskaltes Schwimmbecken, an dessen Temperatur man sich erst gewöhnen müsse.
     Dann überwand er sich schließlich, tauchte nach längerem Zögern mit dem ganzen Körper ein, und seine ungelenken, zackigen
     Bewegungen in den ersten Sekunden wirkten, als ob er frieren würde.
     
    Tobias, Dennis und Daniel gingen an die Bar und begannen sich über das Heft zu unterhalten. Daniel studierte in Leipzig seit
     zwei Jahren Journalismus, und dass er ein glühender
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Fan war, wurde schon nach wenigen Sätzen deutlich. Er sagte den beiden noch einmal, wie sehr er sich darüber freue, dass ihnen
     seine Texte gefallen hätten; in Leipzig sei das
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jeden Montag seine Rettung inmitten des ganzen Schwachsinns, der ihn an der Universität umgebe. Es war fast rührend zu sehen,
     wie sich in Daniel in diesem Moment Schüchternheit und Selbstbewusstsein verbanden. Man |241| merkte ihm die leichte Unsicherheit an, nun zum ersten Mal mit den Leuten zusammenzustehen, die dieses für ihn so wichtige
     Magazin machten. Doch gleichzeitig wurde auch schnell klar, dass er eigentlich ein ziemlich von sich überzeugter Mensch war.
     Daniel redete über seine Verlorenheit in dem Studiengang, der in seinen Augen keinerlei praktischen Wert besaß, und über die
     schon lang anhaltende Gewissheit, nur beim
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am richtigen Ort zu sein. »Vielleicht wird es ja wirklich bald was mit einem Praktikum bei euch«, sagte er, »Ludwig hat vorher
     auf dem Weg zur Party so etwas angedeutet.« Dann meinte er noch, dass er das Studium in Leipzig sofort aufgeben würde, wenn
     er an dem Heft mitarbeiten könnte. Tobias musste ständig an den Augusttag vor drei Jahren denken, als er zum ersten Mal Susanne
     Buchner in der Redaktion besucht hatte. Aus Daniel sprach jetzt genau dieselbe Begeisterung für das ganze
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Umfeld. Er wollte von Dennis und Tobias auch wissen, ob Anne Krausnick auf dem Fest sei, sagte ihnen, dass er ihre Art zu
     schreiben sehr verehre und sich fast ein bisschen in sie verliebt habe, obwohl er ja nur ihre Artikel kenne. Als Dennis sie
     ihm zeigte – sie stand mit Carla und Fanny von Graevenitz zusammen, nur einige Meter von ihnen entfernt – und Anstalten machte,
     gleich zu ihr hinüberzugehen, hielt er ihn aber erschrocken zurück. Tobias geriet während dieser Unterhaltung in eine eigentümlich
     versöhnliche Stimmung. Er empfand plötzlich fast so etwas wie Milde dem ganzen
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- Kosmos gegenüber. In Daniel erkannte er sich selbst wieder, und er wusste genau, dass nach langer Zeit wieder jemand aufgetaucht
     war, der schon bald sein ganzes Leben dem Magazin widmen |242| würde, wie Dennis, Robert und er es in den Jahren davor getan hatten. Und so wie er diesen jungen Autor mit seiner Hornbrille
     vor sich stehen sah, fiel für einen Moment der ganze Zweifel der vergangenen Monate von ihm ab. Sollte er es nicht einfach
     ein für alle Mal akzeptieren, dass das
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diese unglaubliche Faszination in manchen Leuten entfachen konnte? Dass das Heft immer wieder Leser fand, in München, Frankfurt,
     Leipzig oder anderswo, die sich so stark angezogen fühlten von seiner besonderen Machart, dass ihr einziges Ziel darin bestand,
     so schnell wie möglich Teil der Redaktion zu werden?
     
    Dennis schlug vor, nach draußen zu gehen, und sie setzten sich auf den Randstein des Kiesweges, der an dem Gebäude vorbeiführte.
     Neben ihnen saß die aktuelle Praktikantin im
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, Franzi, und unterhielt sich mit einem anderen Mädchen. Franzi war eine jener Praktikantinnen, die immer typisch für das
     Heft gewesen waren. Man sah ihr die wohlbehütete Kindheit genauso an wie einen leichten Zug ins Verwegene. Sie stammte aus
     einem Ort am Chiemsee, der Vater Rechtsanwalt, die Mutter Deutschlehrerin, und es ging das Gerücht um in der Redaktion, dass
     sie im vergangenen Jahr eine der besten Abiturnoten ganz Bayerns gehabt hatte, noch unter 1,0. Jetzt studierte sie Komparatistik
     in München. Franzi hatte ihre
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- Kollegen kommen sehen, doch sie nickte ihnen nur kurz zu, weil das andere Mädchen
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