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Vorn

Titel: Vorn
Autoren: Andreas Bernard
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in der Redaktion jetzt manchmal sagten, zu den verbotenen Worten. Es stand
     ungefähr in einer |227| Reihe mit »Caipi«, »lecker« oder »brunchen«, und wenn es jemand in ihrer Gegenwart benutzte, verdrehten sie die Augen und
     tauschten verächtliche Blicke aus. Tobias erinnerte sich etwa an ein großes Redaktionsessen, als Jakob, damals ganz neu beim
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, unbefangen davon erzählte, dass er am Sonntag mit Freunden beim »Brunchen« in einem Café gewesen sei. Irritiert bemerkte
     er damals die Reaktionen, das Tuscheln zwischen Dennis und Tobias quer über den Tisch, und wenn Tobias jetzt an den Gesichtsausdruck
     Jakobs in diesem Moment dachte, an sein leichtes Erschrecken, offenbar etwas Falsches gesagt zu haben, kam ihm ihre Unnachgiebigkeit
     brutal und lächerlich vor. Doch sie waren sich ihres Bildes von der Welt, ihrer Einteilung der Menschen derart sicher, dass
     der Gebrauch eines einzelnen Wortes ausreichte, um augenblicklich ein Urteil zu fällen.
     
    Die Fabrikhalle und der sie umgebende Park waren so groß, dass viele hundert Menschen dort zusammenkommen mussten, um den
     Ort halbwegs zu füllen. Die Liste der Eingeladenen war daher lang, sie reichte von den Anzeigenkunden des Magazins über alle
     ehemaligen und aktuellen Autoren und Fotografen bis hin zu den siebzig oder achtzig Praktikanten, die jemals im
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gearbeitet hatten. Außerdem hatte die Redakteurin, die für die Rubrik auf der letzten Seite zuständig war – eine wöchentliche
     Liste mit Gründen, warum es sich zu leben lohnt –, ein paar Dutzend Leser eingeladen, die regelmäßig Beiträge für diese Liste
     einschickten. Tobias ging zusammen mit Sebastian und Jakob zu dem Fest. Es war noch hell, als sie in dem verwinkelten Teil
     des Englischen Gartens ankamen. |228| Nicht einmal der Taxifahrer hatte den Ort gekannt und musste sich erst per Funk den Weg dorthin erklären lassen. Er setzte
     sie am Anfang eines schmalen Fußgängerwegs ab; das Partygelände selbst war nicht mit dem Auto zu erreichen. Als sie auf die
     Fabrikhalle zugingen, saßen erst wenige Leute an den Biertischen davor, die meisten davon schon älter und in Anzug und Krawatte
     – das mussten die »Anzeigenkunden« sein, die auf solchen Redaktionsfesten immer wie Fremdkörper wirkten. Tobias fand es in
     diesem Moment aber nicht besonders störend, dass sie viel zu früh auf die Party gekommen waren. Als
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Redakteure gehörten sie ja praktisch zu den Gastgebern, und er freute sich darauf, von einem der Biertische aus dabei zuzusehen,
     wie sich das Gelände langsam füllen würde. Noch war alles ganz ruhig. Es lief nicht einmal Musik. Der Catering-Service hatte
     die Essensstände vor der Halle gerade mit allen möglichen Salaten und Vorspeisen beladen; daneben bereitete ein Koch an einem
     Grill Steaks zu. Zwischen den Biertischen lagen Strandbälle mit dem
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Logo herum, und alle paar Meter standen große, mit zerstoßenem Eis aufgefüllte Schubkarren, in denen sich Getränkeflaschen
     stapelten. Sie gingen zuerst in das Fabrikgebäude hinein, weil Sebastian dort später mit Robert Platten auflegen und sich
     kurz die Halle ansehen wollte. Auf die Wände des hohen Raums waren Großaufnahmen jener Fotos projiziert, die die
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Redakteure im Jubiläumsheft zu den besten der letzten fünf Jahre gekürt hatten. Sebastian inspizierte kurz das DJ-Pult in
     der Mitte der Halle, das auf einem von verzweigten Röhren umgebenen Heizkessel errichtet war, offenbar Teile des früheren
     Fabrikbetriebs. |229| Beim Hinausgehen fiel ihr Blick noch auf eine Schaukel, die genau auf der Höhe der Tanzfläche von der Decke hing.
     
    Tobias bestellte sich ein Steak am Grill, nahm ein Bier aus einem der Schubkarren und suchte sich mit Sebastian und Jakob
     einen freien Tisch. Der Strom von Menschen auf dem schmalen Fußweg riss jetzt nicht mehr ab; Tobias beobachtete die Prozedur
     am Eingang, wie die Frau vom Party-Service jeden Gast begrüßte und dann auf ihrer umfangreichen Liste nachsah, ob der Name
     verzeichnet war. Auch der Shuttle-Bus zwischen der Party und der nächstgelegenen U-Bahn-Station hatte offenbar seinen Dienst
     aufgenommen, denn alle zehn oder fünfzehn Minuten stand plötzlich ein großer Pulk von Gästen am Eingangstor, hauptsächlich
     junge
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Leser, die sich mit neugierigen Blicken auf dem Gelände umsahen. (Einige von ihnen trugen eine schwarze Umhängetasche mit
     gelbem
Vorn
- Schriftzug, die man seit kurzem über die
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