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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche
Autoren: Alan Bradley
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Mitarbeiter bei Ilium Films nach ihrer Pingeligkeit ausgewählt werden. Ich kann Ihnen sogar anvertrauen – ich weiß ja, dass Sie es nicht weitererzählen –, dass wir soeben von einem Drehort in einer königlichen Residenz kommen, und dort hat sich ein gewisser Sie-wissen-schon-wer mit keinem Sterbenswörtchen über uns beschwert.«
    Mrs M fiel die Kinnlade herunter.
    »Sie meinen …«
    »Ganz recht«, antwortete McNulty und legte den Finger auf die Lippen. »Sie sind eine kluge Frau, Mrs Mullet, das habe ich gleich erkannt.«
    Sie lächelte so fadenscheinig wie die Mona Lisa, und ich wusste, dass er ihr ihre Loyalität abgekauft hatte. Was dieser Patrick McNulty auch sonst sein mochte, der Kerl war so geschmeidig wie Rizinusöl.
    Dogger kam zurück. Seine geschäftsmäßige Miene gab nichts, aber auch gar nichts preis. Ich folgte ihm und McNulty nach oben und in den Westflügel.
    »Das Zimmer am Südende des Korridors ist Miss Harriets Boudoir. Dieser Raum ist streng privat und darf unter keinen Umständen betreten werden.«
    Dogger sagte das so, als sei Harriet nur mal eben auf Besuch bei den Nachbarn, um an der üblichen Fuchsjagd durch Felder und Wälder teilzunehmen. Er verschwieg McNulty, dass meine Mutter schon zehn Jahre tot war und Vater ihre Gemächer wie einen Schrein hütete, in dem niemand, das glaubte er wenigstens, ihn weinen hörte.
    »Verstanden«, sagte McNulty. »Alles Roger. Ich geb’s weiter.«
    »Die beiden Zimmer zur Linken gehören Miss Ophelia und Miss Daphne, die sich, solange Sie mit Ihren Leuten hier sind, ein Zimmer teilen werden. Suchen Sie sich eines davon als Drehort aus, die jungen Damen begnügen sich dann mit dem anderen.«
    »Nett von den beiden«, meinte McNulty. »Aber darum kümmert sich Val Lampman. Das ist unser Regisseur.«
    »Alle anderen Schlafzimmer, Wohnzimmer und Salons, inklusive derjenigen an der Nordseite, können von Ihnen nach Belieben genutzt werden«, fuhr Dogger fort, ohne bei der Erwähnung von Englands gefeiertstem Filmregisseur auch nur mit der Wimper zu zucken.
    Sogar ich wusste, wer Val Lampman war.
    »Ich gehe jetzt besser wieder zu meinen Leuten«, sagte McNulty mit einem Blick auf seine Armbanduhr. »Wir rangieren die Lastwagen um und laden alles aus.«
    »Wie Sie wünschen«, erwiderte Dogger, und es kam mir vor, als klänge eine Spur Traurigkeit in seiner Stimme mit.
    Wir gingen nach unten, wobei McNulty mit den Fingern über die geschnitzten Treppenpfosten fuhr und den Kopf in den Nacken legte, um die Deckenverkleidung zu begaffen.
    »Mich laust der Affe!«, murmelte er vor sich hin.
     
    »Ihr kommt nie im Leben darauf, wer bei diesem Film Regie führt!«, sagte ich, als ich in den Salon platzte.
    »Val Lampman«, antwortete Daffy gelangweilt und ohne von ihrem Buch aufzublicken. »Phyllis Wyvern arbeitet derzeit mit keinem anderen zusammen. Nicht, seit sie …«
    »Seit sie was?«
    »Dafür bist du noch zu jung.«
    »Gar nicht! Was ist mit Boccaccio?«
    Erst neulich hatte uns Daffy beim Abendessen ausgewählte Geschichten aus Boccaccios Dekameron vorgelesen.
    »Das ist nur Dichtung, alles erfunden«, erwiderte sie. »Val Lampman ist das wahre Leben.«
    »Wer sagt das?«, konterte ich.
    »Kinowelt sagt das. Stand ganz groß auf der Titelseite.«
    »Was denn?«
    »Herrgott noch mal, Flavia«, sagte Daffy und legte unwillig ihr Buch weg, »du verwandelst dich allmählich in einen Papagei: ›Seit wann? Sagt wer? Was denn?‹«
    Sie äffte mich grausam nach.
    »Wir sollten dir beibringen, ›Wo ist das Vögelchen ?‹zu sagen oder ›Lore will einen Keks‹. Einen Käfig haben wir schon bestellt: todschicke goldene Gitterstäbe, eine Sitzstange und ein Wasserbecken, in dem du planschen kannst – auch wenn du davon wohl keinen Gebrauch machen wirst.«
    »Kackgranate!«
    »Abgeprallt«, sagte Daffy und hielt einen unsichtbaren Schild auf Armeslänge vor sich.
    »Wieder abgeprallt«, sagte ich und ahmte ihre Geste nach.
    »Ha! Deiner ist bloß aus Blech. Kackgranate durchschlägt Blech. Das weißt du.«
    »Stimmt nicht!«
    »Stimmt wohl!«
    An diesem Punkt mischte sich Feely in unsere bis dahin ausgesprochen zivilisierte Auseinandersetzung.
    »Apropos Papagei. Bevor du zur Welt gekommen bist, hatte Harriet einen wunderschönen Graupapagei. Sindbad hieß er. Ich kann mich noch genau an ihn erinnern. Er konnte das lateinische Verb amare konjugieren und Ausschnitte aus der ›Loreley‹ singen.«
    »Das hast du dir bloß ausgedacht«, fuhr ich sie
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