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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche
Autoren: Alan Bradley
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war, die Barrieren noch vor der Öffnungszeit zu durchbrechen.
    Wir saßen eingeschüchtert und mit gesenktem Blick da, als er den British Philatelist aufschlug und sich gleichzeitig dem Bestreichen seines versengten Toasts mit fahlweißer Margarine widmete.
    »Über Nacht ist schöner frischer Schnee gefallen«, sagte Mrs Mullet munter, aber an ihrem besorgten Blick in Richtung Fenster erkannte ich, dass sie nicht mit dem Herzen bei der Sache war. Wenn der Wind weiterhin so heftig blies, würde sie am späten Nachmittag, wenn ihr Tagewerk vollbracht war, durch hohe Schneewehen nach Hause waten müssen.
    Falls das Wetter allzu garstig wurde, würde Vater selbstverständlich Clarence Mundy mit seinem Taxi herbestellen – aber bei diesem Sturm war es ungewiss, ob Clarence mit seinem Wagen durch die hohen Schneehaufen hindurchpflügen konnte, die sich unweigerlich zwischen den Hecken bildeten. Wir wussten alle, dass Buckshaw zurzeit nur zu Fuß zu erreichen war.
    Als Harriet noch lebte, gab es einen Schlitten mit Glocken und warmen Decken. Der Schlitten stand sogar immer noch in einer dunklen Ecke in der Remise, gleich hinter Harriets Rolls-Royce Phantom II, beide Fahrzeuge ein Denkmal für ihre verstorbene Besitzerin. Die Pferde waren leider schon lange nicht mehr da. Sie waren bei einer Versteigerung nach Harriets Tod verkauft worden.
    In der Ferne ertönte ein Grollen.
    »Hört mal!«, sagte ich. »Was war das?«
    »Der Wind«, antwortete Daffy. »Willst du den letzten Toast noch, oder kann ich den haben?«
    Ich schnappte mir die Scheibe und mampfte sie auf dem Weg in die Eingangshalle trocken herunter.

2
    A ls ich die schwere Haustür aufzog, blies mir ein Schwall eisiger Flocken ins Gesicht. Ich schlang fröstelnd die Arme um mich und blinzelte mit zusammengekniffenen Augen in die winterliche Welt hinaus.
    Im kargen Licht des frühen Morgens glich die Landschaft einem Schwarz-Weiß-Foto. Die weite Fläche des verschneiten Rasens wurde nur von den tintenschwarzen Silhouetten der kahlen, entlaubten Kastanien unterbrochen, die die kleine Allee säumten. Hier und dort neigten sich weiß bemützte Büsche unter ihrer schweren Last tief auf den Rasen hinab.
    Wegen des wirbelnden Schnees konnte man nicht einmal bis zum Mulford-Tor sehen, doch etwas schien sich dort draußen zu bewegen.
    Ich wischte mir die tauenden Flocken aus den Augen und schaute noch einmal hin.
    Ja! Ein blasser Farbfleck erschien in der schwarz-weißen Landschaft – und jetzt noch einer! Vorneweg fuhr ein riesiger Möbelwagen, dessen kräftiges Rot immer intensiver wurde, je näher er durch den unaufhörlich fallenden Schnee auf mich zukam. In seinem Kielwasser folgte eine Reihe kleinerer Lastwagen wie eine Prozession aufgezogener Spielzeugelefanten … zwei … drei … vier … fünf … nein, sechs Stück!
    Als der Möbelwagen steifgelenkig die letzte Biegung der Einfahrt nahm, konnte ich die Aufschrift deutlich lesen: Ilium Films stand da in dicken gelben und weißen Buchstaben, so gestaltet, dass die Schrift dreidimensional wirkte. Die kleineren Lastwagen waren ähnlich beschriftet und ebenfalls eindrucksvoll anzuschauen, als sie sich jetzt wie eine Herde rings um ihren Anführer scharten.
    Die Tür des Möbelwagens flog auf, und ein massiger rotblonder Mann kletterte aus dem Führerstand. Er trug eine Latzhose, sein Kopf war mit einer Schiebermütze bedeckt, und um den Hals hatte er ein rotes Tuch geschlungen.
    Erst als er durch den Schnee auf mich zugestapft kam, merkte ich, dass plötzlich Dogger neben mir stand.
    »Mich laust der Affe«, sagte der Mann und verzog das Gesicht im kalten Wind.
    Mit ungläubigem Kopfschütteln ging er auf Dogger zu und streckte ihm eine grobe, fleischige Pranke hin.
    »McNulty. Ilium Films . Transportabteilung. Hansdampf in allen Gassen und Meister aller Klassen.«
    Dogger schüttelte die Pranke stumm.
    »Wir müssen den ganzen Zirkus hier hinters Haus bringen, raus aus diesem Nordwind. Freds Generator macht immer Mätzchen, wenn es zu kalt ist. Das verwöhnte Biest will verhätschelt werden, der Generator, wenn ich’s Ihnen sage.«
    Dann ging er vor mir in die Hocke. »Wie heißt du denn, Kleine? Bestimmt Margaret Rose. Na klar … Margaret Rose. Wenn du keine Margaret Rose bist, dann weiß ich auch nicht.«
    Am liebsten wäre ich sofort nach oben in mein Labor marschiert, hätte ein Glas Blausäure aus dem Regal geholt, den Typen an der Nase gepackt, ihm den Kopf in den Nacken gedrückt, ihm das
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