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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche
Autoren: Alan Bradley
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Herbsttag, an dem man in Bishop’s Lacey um die Gefallenen aus den verschiedenen Kriegen trauert  – hatte uns Vater in den Salon gerufen, um uns die furchtbare Neuigkeit zu verkünden.
    »Ich muss euch leider mitteilen, dass das Unvermeidliche eingetreten ist«, sagte er schließlich, nachdem er eine Viertelstunde gramvoll aus dem Fenster geschaut hatte.
    »Ich brauche euch ja wohl nicht an unsere prekäre finanzielle Situation zu erinnern …«
    Er hatte anscheinend vergessen, dass er uns tagtäglich – manchmal sogar zweimal innerhalb einer Stunde – an unsere schwindenden Geldreserven erinnerte. Buckshaw hatte Harriet gehört, und als sie gestorben war, ohne ein Testament zu hinterlassen (wer hatte schon damit gerechnet, dass eine so lebenslustige Person wie sie auf einem Berg im fernen Tibet ihr Ende finden würde?), hatten die Sorgen ihren Anfang genommen. Seit zehn Jahren ging Vater nun schon mit den grauen Herren der Königlichen Finanzbehörde die, wie er es nannte, »Tanzschritte des Todesmenuetts« durch.
    Trotz der sich immer höher stapelnden Rechnungen auf dem Tisch in der Diele und trotz der immer häufigeren telefonischen Anfragen vulgär klingender Anrufer aus London war es Vater gelungen, sich irgendwie durchzulavieren.
    Einmal hatte ich, aufgrund seiner Phobie bezüglich des »Instruments«, wie er das Telefon nannte, einen dieser Anrufe selbst entgegengenommen und auf ziemlich amüsante Weise abgeschmettert, indem ich so tat, als würde ich Englisch weder verstehen noch sprechen.
    Als das Telefon kurz darauf wieder geklingelt hatte, hatte ich mir den Hörer sofort geschnappt und mit dem Finger immer wieder auf die Gabel getrommelt.
    »Hallo?«, hatte ich gerufen. »Hallo? Hallo? Tut mir leid … Ich verstehe kein Wort. Ganz schlechte Verbindung. Rufen Sie nächste Woche wieder an!«
    Beim dritten Klingeln hatte ich den Hörer vom Haken genommen und in die Sprechmuschel gespuckt, die prompt ein besorgniserregendes Knistern von sich gegeben hatte.
    »Feuer«, hatte ich mit verstörter Stimme gesagt. »Das ganze Haus steht in Flammen! Ich muss leider auflegen. Entschuldigen Sie, aber die Feuerwehr schlägt schon die Fenster ein.«
    Der Rechnungseintreiber hatte nie wieder angerufen.
    »Meine Verhandlungen mit der Steuerbehörde«, hatte Vater gesagt, »haben nichts gefruchtet. Es ist aus mit uns.«
    »Aber … Tante Felicity!«, protestierte Daffy. »Tante Felicity wird uns doch bestimmt …«
    »Deine Tante Felicity hat weder die Mittel noch die Absicht, unsere Lage zu lindern. Ich fürchte, dass sie …«
    »… über Weihnachten herkommt«, unterbrach ihn Daffy. »Du könntest sie doch fragen, wenn sie hier ist!«
    »Nein.« Vater schüttelte traurig den Kopf. »Es war alles umsonst. Der Tanz ist zu Ende. Ich war gezwungen, Buckshaw …«
    Ich hielt die Luft an.
    Feely beugte sich vor und runzelte die Stirn. Sie kaute an einem Fingernagel, was ziemlich ungewöhnlich für eine derart eitle Person war.
    Daffy schielte unter gesenkten Lidern hervor, unergründlich wie eh und je.
    »… einem Filmstudio zu überlassen. Jedenfalls vorübergehend. Die Filmleute kommen in der Woche vor Weihnachten und haben freie Hand, bis sie ihre Arbeit hier beendet haben.«
    »Und was wird dann aus uns?«,fragte Daffy.
    »Wir dürfen hierbleiben, vorausgesetzt, wir halten uns in unseren Privaträumen auf und mischen uns nicht in die Dreharbeiten ein. Tut mir leid, aber das waren die günstigsten Bedingungen, die ich herausschlagen konnte. Im Gegenzug erhalten wir ein Honorar, mit dessen Hilfe wir uns noch eine Weile über Wasser halten können – zumindest bis zu Mariä Verkündung Ende März.«
    Eigentlich hätte ich mit etwas in der Art rechnen müssen. Vor ein paar Monaten waren zwei junge Männer in Schals und Flanell aufgetaucht und hatten Buckshaw zwei ganze Tage lang aus jedem erdenklichen Winkel geknipst, von innen und von außen. Neville und Charlie hießen sie, und Vater hatte sich nur vage zu ihren Absichten geäußert. Ich hatte angenommen, es handele sich lediglich um einen weiteren Fototermin für Country Life, und nicht weiter darüber nachgedacht.
    Vater war inzwischen wieder wie magisch vom Fenster angezogen worden und ließ den Blick nach draußen über sein in Schwierigkeiten steckendes Anwesen schweifen.
    Feely stand auf und schlenderte wie zufällig zum Fernglas. Sie beugte sich darüber und musterte ihr Spiegelbild.
    Ich ahnte, was sich in ihren Gehirnwindungen abspielte.
    »Weißt
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