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Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Titel: Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
Autoren: Karl-Theodor zu Giovanni; Guttenberg di Lorenzo
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und auf die politischen Mechanismen zurückgreifen musste. Sie können gar nicht brachial »der Andere« sein.
    Aber Sie haben den Berliner Betrieb zum Beispiel als Affenkäfig bezeichnet: Dienten solche Formulierungen nicht der öffentlichen Abgrenzung?
    Ich habe immer gesagt, dass ich selbst einer dieser Affen bin. Das ist ein Unterschied. Und dass ich selbst einer derjenigen bin, die im Zirkuszelt dem Dompteur unterworfen sind. Die Koketterie findet da ihre Grenzen, wo man sich selbst entlarvt.
    |184| Warum werden so viele Mitarbeiter dieses politischen Apparates in Ihren Augen betriebsblind?
    Sie werden abgeschliffen, das ist ein altes Prinzip. Das liegt am Arbeitsdruck, vielleicht auch am persönlichen Druck, den es ja auch mal geben kann. Fraktionsdruck kann ausgeübt werden, das ist so. Er findet nicht so häufig statt, wie behauptet wird, aber es gibt ihn. Dann gibt es den Druck zur Wiederwahl, manchmal bestehen Abhängigkeitsverhältnisse. Trotzdem wäre es falsch zu behaupten, dass es in der Politik nur ganz wenige Unabhängige gibt. Aber es gibt einige, die irgendwann ein Schatten ihrer selbst sind.
    Wolfgang Bosbach ist gerade mit heftigen Worten von Ronald Pofalla angegangen worden. Wenn ein profilierter Politiker wie er sich so etwas anhören muss, wie ergeht es dann einem unbekannten Neuling? Wird man da nicht relativ schnell zurechtgestutzt und auf Linie gebracht?
    Gute Charaktere können diesem Niveau etwas entgegensetzen. Und ich habe Wolfgang Bosbach immer als jemanden empfunden, der großartig in der Lage ist, seine eigene Position zu formulieren. Er ist einer der Köpfe, die ich sehr schätze, auch wenn wir einige Male diametral andere Meinungen vertreten haben.
    Welcher Politiker ist schon so glamourös wie Sie, dass er die Chance hat, zu »Wetten, dass   …?« eingeladen zu werden?
    Ich bin nun wirklich nicht der Erste. Aber trotzdem haben Sie als Politiker alle Möglichkeiten, andere Medien zu nutzen. Man kann schon dafür sorgen, dass man auf sich aufmerksam macht. Ich habe zum Beispiel in den ersten Jahren als Außenpolitiker schlichte Kärrnerarbeit geleistet und jeden Unsinn, den ich für wichtig hielt   …
    |185| … rausposaunt?
    Zumindest habe ich meine Gedanken in Pressemitteilungen all jenen aufgedrängt, die ganz bestimmt nichts davon wissen wollten. Irgendwann hat man damit dann Erfolg.
    Kennen Sie Politiker, die Angst vor der unmittelbaren Begegnung mit Menschen haben?
    Es gibt immer welche, denen der direkte Kontakt schwerer fällt als anderen. Das ist eine Persönlichkeitsfrage.
    »Zynismus ist an der Tagesordnung« – Politik im globalen und europäischen Kontext
    Sie sind, im Moment jedenfalls und auch nicht ganz freiwillig, der personifizierte Weltbürger: Gestern in Oslo, heute in London, morgen in Connecticut. Welche Bedeutung haben für Sie noch nationale Eigenarten?
    Eine wachsende. Das Gefühl der Entgrenzung und weltweiten Vernetzung führt generell zu dem Reflex, sich an eine fassbare Umgebung zu halten, und dazu zählen auch Nationalstaaten. Man muss natürlich wachsam sein, dass das nicht in eine Renationalisierung abdriftet und populistisch missbraucht wird.
    Welche positiven Dinge verbinden Sie mit dem Nationalen?
    Ich halte es nach wie vor für eines der größten Güter, dass wir so viele unterschiedliche Kulturen haben.
    Sie denken jetzt an Bach und Michelangelo?
    Warum nicht? Spontan aber auch an Gedichte von Durs Grünbein und Puschkin, bis hin zu Sportarten, die sich |186| nur in bestimmten Regionen entwickeln und selbst an die Kultur der Freiwilligen Feuerwehren, die in gewissen Erdteilen etwas gelten und in anderen wieder nicht. Alle diese Dinge müssen einen Wert haben, damit die so oft geforderte Toleranz für andere Kulturen überhaupt erwachsen kann. Wir haben leider schon eine Neigung zur Kulturvergessenheit, auch in unserem Land.
    Es gelingt heute nicht mehr so einfach, die Europäische Union mit dem Versprechen auf Frieden, Wohlstand und Freiheit zu begründen; dieses Pathos der Nachkriegszeit verfängt nicht mehr. Wie könnte man heute Leidenschaft für Europa erwecken?
    Indem wir aufhören es abstrakt und mit abgegriffenen Chiffren zu definieren. Ich glaube, dass es den Menschen immer noch um Heimat geht und darum kulturelle Vielfalt zuzulassen, aus der letztlich ein Ganzes erwachsen kann. Die Beispiele müssen nur konkreter werden und einen Alltagsbezug zulassen.
    Eine ökonomische Argumentation könnte lauten: Wenn wir Europäer in den
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