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Vor meinen Augen

Vor meinen Augen

Titel: Vor meinen Augen
Autoren: Alice Kuipers
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Boden. Und dann sah ich Emily. Ich konnte sie vor mir dort auf dem Boden liegen sehen, wie sie nach Luft schnappte. Warum ist das passiert? Was für eine Welt ist das, wo jemand so etwas tun kann? Warum meine Schwester? Was hat sie jemals irgendjemandem getan? Warum musste sie sterben und nicht ich?
    Dann, statt da in dem Tunnel zu liegen, stand Emily auf einmal vor mir. Sie trug Jeans und ein goldenes Kleid, das an den Oberschenkeln abgeschnitten war.
    »Das ist mein Kleid«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du kannst es haben«, sagte ich.
    Und ich wusste, dass sie nicht da war. Ich weiß, sie ist nicht hier. Aber einen Moment lang ging es mir besser. Meine Schwester.

11  Schwer ist der Frühling
Mit dem was einst war

Freitag, 19. Mai
    Heute Abend musste ich einfach mal aus dem Haus gehen, also rief ich Rosa-Leigh an, und wir machten aus, dass ich zu ihr käme. Ihr Dad sagte, er könnte uns nach Camden fahren, damit wir zu diesem Spoken-Word-Ding kämen – ich glaube, es ist ihm gar nicht klar, dass es in einer Kneipe ist.
    »Wo warst du denn?«, fragte sie, als ich schließlich bei ihr ankam.
    »Der Bus hat ewig gebraucht.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Was meinst du denn?«
    »Die ganze letzte Zeit läufst du wie ein Zombie durch die Schule. Schon seit Ostern.«
    »Ich hab nur …«, ich machte eine Pause. »Ich hab nur nachgedacht.«
    Ihr Vater fuhr uns hin und machte unterwegs Witze. Rosa-Leigh sah mich ein paarmal an, und sobald wir aus dem Auto gestiegen waren, packte sie mich und sagte: »Was ist los? Du verschweigst irgendwas.«
    Es gab so viel, was ich verschwieg. Also stieß ich das erste hervor, was mir in den Sinn kam. »Ich habe Dan geküsst.«
    »O mein Gott«, sagte sie. »Und geht’s dir gut damit?« Sie sprach schnell und schob mich ins Lokal. Ich setzte mich auf eines der Sofas und holte tief Luft.
    Sie brachte mir einen Drink und sagte: »Warum hast du es mir denn nicht erzählt?« Sie sah mich verständnisvoll, aber auch überrascht an. »Er ist es nicht wert, Sophie.«
    »Wie meinst du das?«
    »Tut mir echt leid, dir das sagen zu müssen, aber Kalila hat von Zara gehört, dass er und Megan, na ja, miteinander schlafen.«
    »Dan hat mit Megan geschlafen?« Ich hielt mir die Hand vor den Mund und mir wurde fast schlecht vor Eifersucht. »Nein!« Aber plötzlich machte alles Sinn. Er hatte keine Hemmungen, Abis frühere beste Freundin – mich – zu küssen, also weshalb sollte er ein Problem damit haben, mit ihrer neuen – Megan – zu schlafen? Ich fragte mich, ob es wohl Megan war, die angerufen hatte, als er mich auf der Straße küsste. Und dann fiel mir der Blick ein, den Megan Zara in der Cafeteria zugeworfen hatte. Sie war es gewesen! Sie hatte er an diesem Abend getroffen, als er von mir weggegangen war. Es stimmte. Mein Gott, ich war so mit allem anderen beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, was für ein Typ er wirklich ist.
    »Was?«, fragte Rosa-Leigh. »Oder hast du ihn gar nicht gemocht?«
    »Doch«, sagte ich. »Ich habe ihn sehr gemocht. Ich bin bescheuert.«
    » Er ist bescheuert. Meine Güte, deshalb hast du dich so zurückgezogen? Wegen eines Typen?«
    »Weiß Abigail über Megan Bescheid?«
    »Glaub ich nicht.« Rosa-Leigh nahm einen großen Schluck von ihrem Drink. »Erzähl mir alles.«
    »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Wann ist es passiert?«
    Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück und holte tief Luft. »Es war dumm. Es war eigentlich nichts.«
    Es gab eine kleine Pause, dann sagte Rosa-Leigh: »Es war auf ihrer Party, stimmt’s?«
    »So ähnlich. Ja.«
    »Ich wusste es.«
    »Und dann bin ich ihm auf dem Heimweg von der Schule begegnet. O Gott! Und ich hab ihn wieder geküsst.«
    »Nein!«
    Ich schnitt eine Grimasse. »Dumm. Richtig dumm.« Ich dachte daran, wie Dan mich geküsst hatte, wie seine Hände mich berührt hatten. Ich fragte: »Ist Abigail okay?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Abigail hat zur Zeit einige Probleme. Probleme, die nichts mit Dan zu tun haben. Und was du vorher gefragt hast: ob ich seinetwegen so merkwürdig drauf war. Die Antwort ist nein. Nicht seinetwegen. Es ist, weil ich darüber nachdachte, was letzten Sommer passiert ist. Ich habe viel über meine Schwester nachgedacht.«
    Rosa-Leigh nickte. »Willst du darüber reden?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Das war das Gute an der Sache mit Dan. Mit ihm war es leicht, alles zu vergessen.«
    Rosa-Leigh nickte und wechselte dann netterweise das
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