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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition)
Autoren: Jesmyn Ward
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Weißem, nach allem, was sich in der Richtung befand, in die China getrieben war, bellend und wie wild schwimmend. Plastiktüten, ein kaputter Trockner, ein alter Kühlschrank. Wir sahen nichts, was warm war wie China, nichts, was kämpfte. Der Hurrikan schickte eine Bö, die eine Ecke unseres Hauses abschälte, ein Stück Blech klappernd in die Luft jagte.
    »Er ist nicht mehr gleichmäßig«, sagte ich. »Er flaut langsam ab.« Ich konnte das Wohnzimmer sehen, ein unordentliches Puppenhaus. Die Bäume um uns herum knarrten entrüstet. Skeetah summte vor sich hin.
    »China«, sagt er.
    Der Traktor, der unter dem Wasser begraben gewesen war, steckte den Kopf heraus, das Dach seiner Kabine tauchte aus dem Wasser auf.
    »Wenn es bis zur Mitte der Reifen gesunken ist, gehe ich«, sagte Skeetah.
    Ich sagte nichts, hakte nur meine Finger ineinander, als könnte ich ihn mit einer lebendigen Kette festbinden.
    Als das erste Stückchen Gummi über dem wallenden Wasser erschien, wurde Skeetah unruhig. Er war ein Schwarm Fische in meinen Armen. Der Wind blies in Böen, und die Bäume knackten. Der Himmel war von einem wirbelnden Geräusch erfüllt, einem an- und abschwellenden Pfeifen, das sich im Kreis drehte. Der Hurrikan ächzte, und es klang wie eine Million Daddys, die stöhnend ihren Stuhl zurückschieben, nachdem sie tellerweiseganze gebratene Fische verspeist haben, mit Weißbrot wegen der Gräten, und dazu Bier. Das Eisen in der Mitte des Reifens lugte hervor, wie ein Auge, das sich öffnet. Skeetah schüttelte meine Umarmung mit einer einzigen Bewegung ab: ein Schwarm Fische, der vor einem Felsen auseinanderstiebt.
    »Wo willst du hin?«, fragte ich.
    Skeetah war schon an mir und Randall vorbei, bei Daddy.
    »Skeet?«, fragte Randall. Junior vergrub sein Gesicht in Randalls schlammigem T-Shirt.
    Skeetah war bei dem Loch, durch das wir geklettert waren. Die Fensterscheibe hatte ihm Gesicht, Oberschenkel und Brust zerschnitten, und Blut lief über seine Haut. Da schaute ich meine Arme an, und Randall und Junior und Daddy; wir bluteten alle, hatten alle Schnittwunden.
    »Junge«, sagte Daddy.
    »Ich muss sie suchen«, sagte Skeetah.
    »Der Sturm ist noch nicht vorbei.« Daddy rollte sich auf die Seite, hob die Knie und ließ sich wieder nieder, als versuche er, in eine bequemere Lage zu kommen, Halt zu finden, um aufzustehen, aber das konnten wir alle nicht, da die Dachbalken so tief hingen.
    Skeetah drehte sich im Kriechen um. Sein Zucken hatte sich beruhigt. Er war wieder ein einziges Tier, oder jedenfalls dachte er, er würde es bald sein.
    »Sie wartet auf mich«, sagte er, sprang durch die Decke nach unten und landete platschend im Wasser.
    »Skeet!«, rief Randall.
    Ich schaute aus dem zackigen Fensterrahmen, durch das aufgerissene Dach, und sah ihn in Richtung Hof waten, bis zur Taille im Wasser, den Kopf hoch, die Schultern nach hinten, die Arme erhoben, die Handflächen über dem Wasser schwebend, als könne er die Wellen beruhigen.
    »Sei vorsichtig«, keuchte Daddy, und ich sah zu, wie mein Bruder fast nackt in den abziehenden Sturm hinausging. Er hielt auf das Pit zu, um ihn herum wogte die Flut, während die abgebrochenen Baumkronen und die Trümmer wie ein Labyrinth aus dem Wasser zum Vorschein kamen. Er blieb stehen, wandte den Kopf und blickte kurz zu uns zurück. Ich winkte durch das kaputte Fenster. Die Luft wurde langsam kalt. Er drehte sich wieder um und verschwand hinter einem schief stehenden Baum, im Schlund des Labyrinths. Hinter ihm blieb ein schmales Kielwasser zurück.
    Als das Wasser abzog, stand der vordere Teil von Daddys Pick-up auf dem zerbeulten Gastank. Die untere Hälfte stand auf der Erde. Alles Wasser, das im Wagen gestanden hatte, war weg und hatte einen matschigen Schlamm an den Fenstern hinterlassen. Der Hof war eine einzige große Pfütze von eiskaltem Wasser, dem ersten kalten Wasser, das wir seit dem Regen im März auf unserer Haut spürten, und wir wateten hindurch bis zur Hintertür des Hauses, die weit offen stand. Die Fliegengittertür war nicht mehr da. Das Innere des Hauses war ebenso nass und schlammig wie Daddys Pick-up. Das Essen, das wir besorgt hatten, war von den Regalen gespült worden; wir suchten danach, wie wir nach Eiern gesucht hatten, und fanden ein paar silberne Dosen mit Erbsen. Im Sofa entdeckten wir ein paar Tüten Nudelsnack, die noch dicht verschlossen waren. Wir stopften alles in unsere T-Shirts. Meine Hände waren rosa von Skeetahs Blut, weil ich ihn
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