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Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Titel: Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht
Autoren: Berndt Rieger
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eine Ahnung von Beinen, aber sie hatte definitiv keine Unterschenkel und Füße und schwebte deshalb einen halben Meter über dem Boden. Die Frau mochte etwa vierzig Jahre alt sein und hatte ein weiches, angenehmes Gesicht, das lächelte. Voodoo konnte es sich selbst nicht erklären, aber er hatte den Eindruck, dass die Frau in ihrem Inneren ausgehöhlt war. Vielleicht, weil sie schwerelos wirkte, aber es war auch etwas schwereloses in ihrem Wesen.
    „ Ich wünsche Ihnen einen guten Abend“, sagte er zu der Frau, aber sie schien ihn nicht weiter zu hören und starrte stattdessen die Gräfin an. Da sah Voodoo auch zu seiner Rechten einen Schatten. Es war ein Mann, oder zumindest konnte man das vermuten, denn er hatte keinen Kopf. Dort, wo der Hals endete, war ein Loch, und jetzt sah man es ganz klar. Es waren Hüllen, die hier schwebten oder standen. Neugierig näherte Voodoo seine Hand der Frau, und kurz bevor er ihr Kleid berührte, gab es ein platzendes Geräusch und sie löste sich in Nichts auf. Er drehte sich um und da stand noch der Kopflose.
    „ Reden Sie mit ihm“, forderte er die Gräfin auf, „Sie merken doch, dass er sich Ihnen zuwendet.“
Aber dass sie Gräfin mit dem Kopflosen in ein argloses Gespräch kommen würde, war nicht wahrscheinlich. Die Gräfin wirkte erstickt. Sie starrte die Erscheinung an und dabei hatte Voodoo den Eindruck, dass sie von dem Anblick völlig gefangen war und ihn gar nicht hörte.
    „ Auch Ihnen einen schönen Abend“, sagte Voodoo zum Kopflosen hin. Der drehte sich her und stieß ein blasendes Geräusch aus. Man hörte es wie von einem Wind, der durch ein Loch zieht oder eine Röhre und dann kam der Mann langsam auf Holmes zu, fast so, als würde er vom Wind heran geweht. Holmes sah aus seinen Augenwinkeln, dass die Gräfin mit einem Mut und einer Entschiedenheit, die er ihr nicht zugetraut hätte, aus dem Bett sprang und ein Messer in die Höhe reckte. Bevor der Kopflose in nächste Nähe von Holmes gekommen war, ging ein Riss durch Holmes, ein Riss aber auch durch seinen Mantel. Es war, als würde man aufgeschlitzt davon und dann war da eine große Schwäche in ihm und er drohte umzusinken, während sein Blick auf dem offenen Rohr des Halses ruhte, aus dem ein rötlicher Schein drang und ein übler Gestank wie von etwas Verfaultem, und dann sank er zu Boden und sah nichts mehr.
    Als Holmes erwachte, war in der Kammer schon die Helligkeit des grauenden Morgens. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte und erinnerte sich zuerst gar nicht an die Ereignisse der Nacht. Er erwachte in einem Bett und merkte dann, dass es das Bett der Gräfin war, und dass es sich bei der Krähe, die dort drüben im Sessel erkennbar war, um dieselbe handelte. Offensichtlich war es ihr gelungen, Holmes ins Bett zu legen, während sie selbst mit dem Sitzmöbel Vorlieb nahm. Sie hatte auch geschlafen, verkrümmt und ein bisschen in der Manier eines überdimensionalen Vogels. Jetzt war sie wach und ihre Augen funkelten lustig, als sie krächzte: „Na, junger Mann, da ist Ihnen ja eine Lehre erteilt worden, nicht wahr!“ und Holmes rappelte sich aus den Kissen auf und gab halb verschlafen zurück: „Ja, da haben Sie Recht, meine liebe Gräfin, ja, durchaus. Ich glaube fast, Sie haben mir das Leben gerettet. Oder waren Sie es, die mit dem Messer auf mich los ging?“
„Na, wenn Sie das glauben, dann müssen Sie in die Klapsmühle, mein Guter, und nicht ich. Sie haben doch gesehen, dass Sie der Mann ohne Kopf beinahe verschluckt hätte. Sie haben in den Abgrund des Todes gesehen, junger Mann, aber mir ist es gelungen, das Monster in die Schranken zu weisen. Jetzt wissen Sie, was ich mitgemacht habe. Jetzt werden Sie mir auch glauben, oder?“
    „ Natürlich glaube ich Ihnen. Nun, es war ... eine verhexte Sache, verehrte Agnes. Und ich möchte mich auch herzlich bei Ihnen bedanken.“
    „ Papperlapapp. Es geht jetzt nicht um Formen, jetzt geht es um Fakten. Was sollen wir tun? Wir müssen doch etwas tun, oder?“
    Mit diesen Worten hielt sie den Knoblauchkranz in die Höhe, den Holmes auf das Tischchen gelegt hatte. Als er fragend die Augenbraue hob, erklärte sie: „Die Bibel, Mr. Holmes. Sie ist verschwunden. Hätten Sie das gedacht?“
    „ Die Bibel ist weg?“
    „ Ich glaube kaum, dass der Mann ohne Kopf sie mitgenommen hat, mein Lieber. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Frau ohne Beine, während wir unsere Auseinandersetzung mit ihm hatten, sich das Buch geschnappt hat.
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