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Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Titel: Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht
Autoren: Berndt Rieger
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würde mich freuen, davon aus Ihrem Munde zu hören, Agnes.“
„Sehen Sie, Mr. Holmes, ich bin alt. Sehr alt. Und ich habe bis vor drei Wochen nicht das geringste Anzeichen einer Geisteskrankheit erkennen lassen. Aber es ist mir selbst klar, dass mein Verhalten seither keinen anderen Rückschluss zu lässt. Ich sehe Eindringlinge, Feinde, die mich am Schlafen hindern, und ich sehe diese Eindringlinge dort, wo keine sind.“
    „ Sie halten sie für Trugbilder?“
    „ Ja. Das sind sie zweifellos. Es kann passieren, dass ich sie anschreie, und dann sind sie weg. Oder dass ich die Tür aufreiße, hinter der sie gemurmelt haben, und es ist dann still und man findet nichts. Niemanden.“
    „ Könnte jemand konkret dafür verantwortlich sein? Dienstboten machen solche Streiche. Oder mögliche Erben, die Sie in den Wahnsinn treiben wollen, um schneller an Ihre Juwelen zu kommen.“
    „ Sie fragen nach Motiven. Nun, ich bin nicht arm, Mr. Holmes. Da sind die Ländereien meiner Familie in Coburg und in Hessen, die nominell noch in meinem Besitz sind, und um die diverse Neffen und Nichten buhlen. Aber das sind Formalitäten. Ich habe mein Testament gemacht, und manche Erben leben längst auf den Besitztümern oder führen dort die Geschäfte. Und die Bedienten hier. Nun, ich habe noch einen Kammerdiener, der mir direkt zugeordnet ist, aber das Übrige gehört der Königin.“
    „ Die Ihnen schon als Kind nahe war?“
    „ Gewissermaßen. Ich glaube nicht, dass jemand wie Victoria eine Nahebeziehung überhaupt kennt. Aber ich weilte lange Jahre in ihrer Umgebung, ja.“
    „ Haben Sie sich Feinde gemacht?“
    „ Ich glaube nicht, dass ich mir Feinde gemacht haben, die nächtlichen Spuk mit mir treiben, Mr. Holmes.“
    „ Was ist dann Ihre Interpretation der Ereignisse?“
    „ Ich habe keine. Ich weiß nur, dass man mich nicht schlafen lässt. Und Sie müssen wissen, Mr. Holmes, in meinem Alter ist der Schlaf die einzige Freude, die einem geblieben ist.“
    „ Die Geister wecken Sie auf?“
    „ Warum ich aufwache, weiß ich nicht. Aber jedenfalls gibt es ein Muster. Es ist nach Mitternacht, und es fließt nur das Mondlicht durch die Kammer. Wenn es ganz dunkel ist, wache ich wahrscheinlich nicht auf. Und ...“
    „ Wenn ich unterbrechen darf ...“
    „ Ja?“
    „ Wenn Sie eine Kerze neben das Bett stellen?“
    „ So lange sie brennt, gibt es keine Geister. Wahrscheinlich, weil ich nicht aufwache, bis sie erloschen ist.“
    „ Oder die Geister blasen sie aus“, merkte Holmes an.
    Jetzt schaute sie in sein Gesicht, um zu überprüfen, ob er scherzte. Aber sein Gesichtsausdruck blieb ernst. „Hier ist eine Bank, hier können wir eine Weile sitzen, ohne zu befürchten, dass Spione hinter den Büschen hocken.“
    Die Bank war gut gewählt. Es gab hier einige Blumenbeete und viel Gras, und keine Möglichkeit für einen Menschen, sich zu verbergen. Holmes setzte sich neben der Gräfin auf die Bank.
    „ Wenn ich erwache und einen Schatten sehe, zünde ich die Kerze an. Und dann sieht man sie deutlicher. Es sind eigentlich keine Schatten. Sie sehen aus wie Menschen.“
    „ Was für Menschen?“
    „ Frauen, in der Regel. In einem langen, schwarzen Kleid. Ohne Füße.“
    „ Sie schweben in der Luft?“
    „ Ja.“
    „ Sie haben Beine, aber keine Füße?“
    „ Ich glaube schon. Ich habe eigentlich nur einen der Schatten näher betrachtet. Vielleicht ist das die richtige Gelegenheit, um Ihnen zu erzählen, was man empfindet, wenn man sie sieht. Es ist da so etwas wie eine innere Gewissheit, dass die Todesstunde geschlagen hat, und dass diese Menschen oder Schatten, wie immer Sie das auch sehen wollen, beginnende Manifestationen des Todes sind. Schatten, die sich eben mehr und mehr verdichten werden. Sie müssen mein Alter bedenken, Mr. Holmes.“
    „ Ja, es ist richtig, was Sie sagen“, meinte er, „ich glaube, dass in diesem Alter der Tod näher ist. Er kann immer zuschlagen, aber wenn Sie älter werden, sind Sie ja schon gewissermaßen von den feinen Adern des Todes durchzogen, nicht wahr?“
    „ Sie haben Recht“, nickte die Gräfin. „Genauso ist es.“
    „ Und Sie verstehen den Tod etwas besser.“
    „ Ja, das glaube ich schon.“
    „ Was glauben Sie denn, was es bedeutet? Warum kommen die Geister?“ fragte Holmes nach.
    Sie zuckte mit den Achseln und kicherte rau. „Ich weiß es nicht, aber vielleicht ist es wirklich so, dass sie etwas von mir wollen. Es sind Wesen ohne eine Seele. Und vielleicht
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