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Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Titel: Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht
Autoren: Berndt Rieger
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wie sie keiner Frau verschlossen sind, Mr. Holmes.“
    Mit diesen Worten zog die Gräfin an der Schnur, um ihren Domestiken herbeizurufen. Dieser brachte die Badepantoffelchen. Die Gräfin schlüpfte hinein und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
    Holmes wartete. Es dauerte eine Stunde, dann zwei Stunden. Schließlich, gegen die Mittagszeit, ließ sich der Domestike sehen. Er hatte ein Briefchen dabei, auf dessen Umschlag das Wappen der Familie Hohenfels-Schlüchtern prangte. In dem kurzen Schreiben, das in seinem Inneren steckte, stand:
     
    Sehr geehrter Mr. Holmes,
     
    ich danke Ihnen für Ihre Dienste und bitte Sie um Rechnungsstellung.
     
    Hochachtungsvoll
     
    Agnes
    Gräfin von Hohenfels-Schlüchtern
     
    Holmes trat an das Tischchen und schob den Brief in das Glas. Dann verneigte er sich vor dem Domestiken, der vor ihm stand, als würde er eine Botschaft entgegennehmen wollen. Doch Holmes sagte gar nichts und ging aus der Kammer, dem Gebäudeflügel und dem Palast hinaus auf die Straßen Londons.
     
    ¥
    „ Sie haben also zur Zufriedenheit Ihrer Hoheit gehandelt“, stellte Dr. Watson fest, als ihm Holmes die Ereignisse am folgenden Abend im Rahmen des Abendessens schilderte, das sie jeden Donnerstag im Shay Club einnahmen.
    „ Ich nehme es an“, sagte Holmes. „Und es sieht ja zumindest so aus, als wäre die Gräfin in dieser Nacht nicht von den Schatten heimgesucht worden. Doch was heute Nacht passiert, weiß der Teufel, und das wahrscheinlich nur zu gut.“
    „ Was ist Ihre Sicht der Dinge?“
    „ Meine Sicht? Da kann ich mir kein Urteil erlauben. Als erstes würde ich sagen, ja, die Phantome existieren, sie teilen sich wahrscheinlich jedem Menschen oder zumindest der empfindsamen Natur mit, sie sind handfest. Ich kann nicht sagen, ob der Schlitz in meinem Rock durch das Messer der Gräfin entstand oder tatsächlich vom Kopflosen verursacht wurde. Mein Bild war das, dass er mit einer Berührung bis in meinen Körper eindrang. Was ich dabei empfand war wahrscheinlich Todesangst. Ein Begriff, mit dem ich bislang nichts anfangen konnte, Watson, aber das ist es wahrscheinlich.“
    „ Was haben Sie da empfunden?“
    Holmes zögerte. „Es ist nicht angenehm, davon zu sprechen“, sagte er dann.
    „ Ich kann nur sagen, dass ich Gänsehaut hatte. Sie doch auch?“
    Holmes nickte.
    „ Man weiß nicht, was man davon halten soll, finden Sie nicht auch?“
    „ Ja“, sagte Holmes mit einem Seufzen, und dann: „Warum haben wir Angst vor Gespenstern? Es ist eine tief gehende Frage. Am meisten fürchten wir sie, wenn wir dem Tod am fernsten sind, nämlich als kleine Kinder. Wenn wir sie nicht mehr fürchten, heißt das, dass wir bereits teilweise abgestorben sind und eine Todesnähe entwickelt haben?“
    „ Das ist faszinierend, und ich glaube, Sie haben Recht, Holmes. Es ist nicht gesund, Gespenster gar nicht mehr zu fürchten. Sie sind furchtbar, denn sie erzählen von der Totenwelt, und wenn wir sie sehen, dann heißt das, dass wir bereits in den Abgrund blicken.“
    „ Deshalb wird es Sie nicht wundern, wenn ich Ihnen sage, dass ich meine, dass die Gräfin von Hohenfels-Schlüchtern in dieser Nacht in die Totenwelt gewechselt hat“, gab Holmes bekannt.
    „ Im Ernst?“
    „ Betrachten wir die Sache nüchtern. In den Nächten zuvor hatte sie Angst und wehrte die Geister ab. In dieser Nacht hingegen verhielt sie sich ganz still. Aber die Erklärung, warum das Glas mit dem Blut leer war, hat bei mir nicht verfangen. Es war leer, weil es jemand ausgetrunken hatte, oder eher wie ein Tier ausgeschleckt, bis auf den letzten Tropfen. Es war nicht ausgewaschen, sondern man sah noch den Schleim des Tiers oder Wesens oder was auch immer, der hier den letzten Tropfen ausleckte, als handle es sich um eine unendliche Köstlichkeit.“
    „ Das war es wohl, der Lebenssaft, nicht wahr“, brummte Dr. Watson.
    „ Und dadurch, dass dieses Wesen, nehmen wir einmal an, es war der Wolf, diesen Lebenssaft zu sich nehmen konnte, weil er als Opfergabe hingestellt worden war, verstärkte sich seine Macht über die Gräfin und er konnte auf eine undefinierbare Weise in sie eindringen, sie in Besitz nehmen und damit die Auseinandersetzung der vergangenen Zeiten beenden. Sie ist eine der ihren geworden in dieser Nacht. Wie das genau passiert ist, kann ich nicht sagen, aber es war eine Fremdheit an dem Morgen.“
    „ Und sie lächelte, wie Sie sagten, Holmes.“
    „ Ja, es war dieses Lächeln. Schwer zu sagen, worum
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