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Von Moerdern und anderen Menschen

Titel: Von Moerdern und anderen Menschen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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bringen. «Wenn Sie Ihre Frau freundlicherweise noch vorbeischicken würden…»
     
     
    Die Innenstadt hatte nichts gebracht. Die beiden Beamten im Lautsprecherwagen hakten das letzte Planquadrat ab und fuhren nun durch ruhige Vorstadtstraßen in Richtung Stadtwald. Mittlerweile bedienten sie sich doch der modernen Technik und ließen ihren Aufruf vom Kassettenband erklingen.
    Theodor-Fontane-Straße. Fast hätten sie das ältliche Fräulein übersehen, das ihnen mit beiden Händen von einem klassizistischgestreckten Wohnhaus her zuwinkte.
    «Herr Wachtmeister, Momentchen mal, halt!»
    Der Beamte, der im Innern des grün-weißen Kombis vor seinen Gerätschaften thronte, rollte die Tür zurück und sprang auf die Straße hinunter.
    «Ja, was gibt’s denn?»
    «Schadow ist mein Name, Martha Schadow», sagte das Fräulein mit heller Kinderchorstimme, rührend-verstaubt. «Ich wohne schon seit zwanzig Jahren hier dem Herrn Kujawa gegenüber…»
    «Ja und?» fragte der Beamte.
    Sie blinzelte ihn an. «Wir solln doch sagen, was wir wissen, oder solln wir nicht?»
    «Bezüglich unserer Durchsage, meinen Sie?»
    «Wir haben doch früher immer bei Machniks verkehrt, im Gasthaus am Bahndamm, immer. Da kenn ich doch den Christian noch, als er Kind war.»
    «Bitte, Frau Schade…»
    «Schadow!»
    Er korrigierte sich. «… Frau Schadow. Ist ja schön, daß Sie sich noch dran erinnern können, aber wir müssen jetzt wieder, unsere Zeit hier…» Er wandte sich schon wieder seinem nestwarmen Kombi zu.
    Sie unterbrach ihn. «Ich hab doch eine Aussage zu machen, Herr Wachtmeister, halt!»
    «Eine Aussage?» Der Beamte blieb stehen.
    «Ja… Ich hab doch gesehen, wie der Christian zu Herrn Kujawa ins Haus gegangen ist. Er hat geklingelt, und dann kam Herr Kujawa und hat ihn eintreten lassen.»
    «Wann denn?»
    «Na, am Sonntag natürlich!»
     
     
    Furmaniak sah auf seinen Abreißkalender. Die Zugspitze von Garmisch-Partenkirchen aus. Noch fünfundzwanzig Tage bis zur rotumrandeten Zahl, die den Urlaubsbeginn anzeigte. Ein Schluck Cola, ein paar Akten sauber ausgerichtet, den Klammeraffen in die Schublade zurückgelegt… Dann drehte er sich so, daß er Jutta Machnik ins Gesicht sehen konnte – er ihr und sie ihm.
    «So, Frau Machnik… Das ist ja nett, daß Sie doch noch gekommen sind», sagte er, ihr Gespräch eröffnend.
    «Hätten wir das nicht auch am Telefon…?»
    Er lächelte sie an. «Ach, wissen Sie, im persönlichen Gespräch kommt doch am meisten raus.»
    Sie ließ ihr Feuerzeug aufflammen. «Was soll denn da rauskommen. Sie sollen mir doch sagen, wo Christian jetzt steckt, nicht ich Ihnen!»
    Furmaniak lehnte sich zurück. «Ich kann ja Ihre Erregung verstehen, Frau Machnik, aber… Wir sollten uns doch gemeinsam bemühen! Sagen Sie, hat er früher schon mal den Wunsch geäußert, von zu Hause weg… und…?»
    Sie zog den Rauch ihrer filterlosen Zigarette tief in die Lunge. «Bei dem Vater – jeden Tag. In Amerika studieren. Aber alles erst nach dem Abitur. Was soll er denn ohne Abitur drüben in Amerika?»
    «Nun ja… Und dazu der Abschiedsbrief. Hat er früher schon mal…?» Furmaniak war im Herantasten geübt.
    «Nein, unter Garantie nicht», sagte sie schnell. «Der hatte doch immer alles, was er brauchte.»
    Furmaniak beugte sich wieder etwas vor. «Und daß Ihr Mann andauernd weg war?»
    Jutta Machnik lachte. «Das hat ihn doch nur gefreut; da war er doch Herr im Hause.»
    «Und zwischen Ihnen beiden gab’s keine Schwierigkeiten?»
    «Wie – zwischen Christian und mir?»
    «Ja, zwischen Ihnen und Ihrem Sohn.»
    Sie schlug die Beine übereinander. «Ach Gott – Schwierigkeiten, Probleme… Wo gibt’s die nicht. Ich hab ihn natürlich öfter um was bitten müssen: Kleine Reparaturen, kleine Besorgungen, mal abends in der Gaststube helfen. Aber das hat er doch gern getan.»
    Furmaniaks Blicke blieben immer wieder an ihrem Ausschnitt haften. «Gern getan, ja… Aber in seinem Brief ist doch die Rede von den Lasten, die er nicht mehr tragen könne?» Dieser Ausschnitt, diese Beine, diese Frau!
    Jutta Machnik schien nichts zu merken. «Da meint er doch die Schule mit, das ist doch ganz eindeutig. Die Schule. Mein Mann will doch unbedingt, daß er Maschinenbau studiert.» Sie sprach es so verkürzt aus: «Dipel.-Ing. soll er werden oder Doktor-Ing. dabei ist er gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern ziemlich schwach auf der Brust. 2,8 braucht er wohl im Augenblick für Maschinenbau, und die schafft
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