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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen
Autoren: John Steinbeck
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leise zu dem Tierchen: »Warum mußtest du totgehn? Bist doch nich so klein wie ’n Mäuschen. Hab dich nich toll geschlagen.« Er bog den Kopf des Tierchens hoch, sah ihm ins Gesicht und sprach zu ihm: »Nun wird mich George keine Kaninchen nich versorgen lassen, wenn er rausfind’t, daß ich dich totgemacht hab.«
    Er machte eine kleine Höhle und legte das Junge hinein, dann bedeckte er es wieder mit Heu, bis man es nicht mehr sah. Aber er starrte weiter auf den kleinen Grabhügel, den er aufgeschichtet hatte. »Das is nich so was Schlimmes«, sprach er zu sich selber, »daß ich mich deswegen im Ge-büsch verstecken müßte. O nein. So schlimm is es nich.
    Werde George sagen, ich hätte es tot gefunden.«
    Er grub das Junge wieder aus und untersuchte es, indem er es von den Ohren zum Schwanz streichelte. Kummer-91
    voll fuhr er fort: »Aber er wird Bescheid wissen. George weiß immer Bescheid. Er wird sagen: ›Du hast’s getan.
    Probier nich, mir was vorzumachen.‹ Un er wird sagen:
    ›Un dafür darfste nun die Kaninchen nich versorgen.‹«
    Plötzlich stieg die Wut in ihm auf. »Gott verdamm dich«, schrie er. »Warum mußtest du totgehn? Bist nich so klein wie ’n Mäuschen.« Er las das Junge auf und schleuderte es von sich. Drehte ihm den Rücken zu und murmelte: »Jetz werd ich die Kaninchen nich zu versorgen kriegen. Er wird mich nich lassen.« In seinem Schmerz schaukelte er mit dem Oberkörper hin und her.
    Von draußen erklang das Getön der Hufeisen, wie sie an den Eisenpflock aufschlugen, und dann ein kleiner Chor von Zurufen. Lennie stand wieder auf und holte das Junge zurück und legte es ins Heu, sich daneben setzend. »Warst noch nich groß genug«, sagte er. »Se ha’m mir’s immer wieder gesagt, du wärst noch nich groß genug. Wußte nich, daß du so leicht totgehst.« Er krabbelte mit den Fingern an dem schlaff herabhängenden Ohr des kleinen Hundes. »Vielleicht macht sich George nichts draus«, suchte er sich zu trösten; »war doch ’n gottverdammtes kleines Hundeding, hatte George nix zu bedeuten.«
    Da tauchte Curleys Frau am Ende der letzten Stallbox auf. Sie ging sehr leise, so daß Lennie sie nicht wahrnahm.
    Sie trug ein helles Baumwollkleid und die Schuhe mit den Straußenfedern. Ihr Gesicht war aufgemacht, und die kleinen Lockenwürstchen waren alle am richtigen Platz. Sie stand ganz dicht bei ihm, als Lennie endlich aufschaute und sie bemerkte.
    In panischem Schrecken schaufelte er mit den Fingern Heu auf das Junge. Verdrießlich sah er zu ihr empor.
    »Was haste da, Söhnchen?« fragte sie.
    Lennie starrte sie an. »George sagt, ich soll nix mit dir zu tun ha’m – nich mit dir reden un nix.«

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    Sie lachte. »Gibt dir George Befehl über alles?«
    Lennie sah vor sich ins Heu hinunter. »Sagt, ich darf de Kaninchen nich versorgen, wenn ich mit dir rede oder sonst was.«
    Sie sagte: »Er hat Angst, daß Curley wütend wird. Na, Curley hat ’n Arm in der Schlinge. Wenn er ausfallend wird, so kannste ihm den andern Arm zerbrechen. Mir haste nix vormachen können, von wegen in de Maschine geraten.«
    Aber Lennie ließ sich nicht fassen. »Nein, nein, nein.
    Werd nich mit dir reden un auch sonst nix.«
    Sie kniete im Heu neben ihm nieder. »Hör zu«, sagte sie.
    »Die Jungs sind alle bei einem Hufeisen-Wettspiel. Es is erst etwa vier. Keiner wird von dem Spiel weggehn. Warum kann ich nich mit dir reden? Hab nie jemand, zu dem ich reden kann. Macht mich fürchterlich einsam.«
    Lennie antwortete: »Aber ich soll nich mit dir reden oder sonst was.«
    »Mir wird’s so einsam«, sagte sie. »Du hast Leute, zu denen du reden kannst, aber ich kann mit niemand als Curley sprechen. Sonst wird er wütend. Wie würde dir das gefallen, wenn du mit niemand reden könntest?«
    Lennie beharrte: »Na, aber ich soll nich. George fürchtet, daß ich ins Unglück gerate.«
    Sie wechselte den Gesprächsgegenstand. »Was haste da zugedeckt?«
    Da kam Lennies ganzes Leid wieder über ihn. »Bloß meinen kleinen Hund«, sagte er traurig. »Bloß mein Hundchen.« Und er schob das Heu davon fort.
    »Was – es is ja tot«, schrie sie auf.
    »’s war so klein«, sagte Lennie. »Hab bloß mit ihm gespielt … und es tat, als wollt es mich beißen – un ich tat, als wollt ich ihm eins drauf geben … un dann hab ich’s gemacht – und schon war’s tot.«

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    Sie tröstete ihn. »Hab du keinen Kummer drum. War ja bloß ’n Tier, ’s ganze Land is voll von Tieren.«
    »Das is ja nich die
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