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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen
Autoren: John Steinbeck
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herunter, und auch wo dieser sich lichtete, ging einer hinter dem anderen. Sie trugen Drillichhosen und ebensolche Röcke mit Messing-knöpfen. Beide hatten schwarze zerknitterte Hüte und über den Schultern trugen sie fest zusammengerollte Decken.
    Der erste war klein und behend, mit dunklem Gesicht, un-ruhigen Augen und scharf geprägten Gesichtszügen. Alles an ihm war bestimmt: kleine, kräftige Hände, schlanke Arme, eine schmale knochige Nase. Hinter ihm erschien sein Gegenbild: ein hochgewachsener Mann mit ausdrucks-losem Gesicht, großen farblosen Augen und breiten, herabhängenden Schultern; er ging schwer, mit schleppenden Füßen, wie ein Bär, der die Pfoten hinter sich her zieht.
    Seine Arme schwangen nicht am Körper, sie hingen lose herab und bewegten sich nur nach der Pendelbewegung der Hände.
    Der Vordermann hielt in der Lichtung kurz an, so daß ihn sein Hintermann fast überrannt hätte. Er nahm seinen Hut ab und wischte mit dem Zeigefinger über das Schweiß-
    band, die Feuchtigkeit abschüttelnd. Sein großer Gefährte 7
    warf seine Decken ab, stürzte sich der Länge nach hin und trank von der Oberfläche des grünen Teichs; trank in langen Zügen und schnaufte ins Wasser hinein wie ein Pferd.
    Der Kleinere trat hastig neben ihn.
    »Lennie«, sagte er scharf. »Lennie, um Gottes willen, trink nich so viel.« Lennie schnaufte weiter in den Teich hinein. Der andere lehnte sich über ihn und rüttelte ihn an der Schulter. »Lennie! Dir wird schlecht werden wie gestern abend.«
    Lennie tauchte seinen Kopf unter, samt Hut und allem.
    Dann setzte er sich ans Ufer, und es tropfte vom Hut auf seinen blauen Kittel und lief ihm den Rücken hinunter. »’s gut«, sagte er. »Trink auch, George. Nimm ’nen guten großen Schluck.« Er lächelte glücklich.
    George legte sein Bündel ab und ließ es sanft ans Ufer fallen. »Bin nich sicher, daß es gutes Wasser is. Sieht mir so schaumig aus.«
    Lennie tauchte seine große Pfote ins Wasser und schnappte mit den Fingern, so daß es in kleinen Spritzern emporschnellte. Über den Teich zogen sich immer größere Ringe und kamen zur Ursprungsstelle zurück. Lennie sah ihrem Spiel zu. »Guck George. Guck, was ich gemacht hab.«
    George kniete neben dem Teich und trank aus der hohlen Hand in kurzen Zügen. »Schmeckt ganz ordentlich«, gab er zu. »Scheint aber doch nicht richtig zu fließen. Solltest nie Wasser trinken, das nich fließt, Lennie. Würdest aus dem Rinnstein trinken, wenn du durstig wärst«, sagte er mutlos. Dann warf er sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht und verrieb es mit der Hand bis unters Kinn und hinten den Nacken hinunter. Dann setzte er seinen Hut wieder auf, rückte ein Stück weg vom Fluß, zog die Knie hoch und umschlang sie mit den Armen. Lennie hatte ihn beobachtet und machte nun George alles genau nach. Er rückte 8
    ein Stück vom Wasser ab, zog die Knie hoch, umschlang sie und blickte zu George hinüber, um zu sehen, ob alles stimmte. Seinen Hut zog er etwas tiefer ins Gesicht, so wie George.
    George starrte trübsinnig ins Wasser. Seine Augenränder waren von der grellen Sonne gerötet. Ärgerlich sagte er:
    »Wir hätten geradesogut direkt bis hin zur Farm fahren können, wenn der vertrackte Busfahrer Bescheid gewußt hätte. Wußte nich, was er redete. ›Ja, ’n Stückchen auf der Landstraße‹, sagte er. ›Ja, ’n kleines Stück.‹ Gott verdamm’ mich, fast vier Meilen, so viel is es. Wollte nich am Farmtor halten, das war’s. Zu verflixt faul, um zu stoppen. Wundert mich, daß er die Gnade hat, überhaupt in Soledad zu halten. Schmeißt uns raus, sagt: ›Ja, ’n Stückchen auf der Straße.‹ Wetten, daß es mehr als vier Meilen is. Verdammt heißer Tag heute.«
    Lennie sah schüchtern zu ihm hinüber. »George?«
    »Ja, was willste?«
    »Wohin gehn wir, George?«
    Der Kleine zog mit einem Ruck seine Hutkrempe hinunter und schaute finster zu Lennie. »Haste das schon wieder vergessen, was? Muß ich dir’s nochmals sagen, ja? Jesus Christus, du bist ein elender Bastard!«
    »Ich hab’s vergessen«, sagte Lennie sanft. »Hab versucht, es nich zu vergessen. So wahr mir Gott helfe, George.«
    »Schon recht, schon recht. Werd’s dir nochmal sagen.
    Hab ja nix zu tun. Könnte meine ganze Zeit damit zubringen, dir was zu sagen, und du vergißt es, und ich sag dir’s wieder.«
    »Hab’s probiert und probiert«, sagte Lennie. »Half nichts. Weiß aber von den Kaninchen, George.«
    »Zum Teufel mit den Kaninchen.
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