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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen
Autoren: John Steinbeck
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Teufel mit den Kaninchen. Und dir kann man keine lebende Maus anvertrauen. Deine Tante Klara gab dir eine Gummimaus, aber du wolltest nix damit zu tun haben.«
    »War nich gut zu streicheln«, erklärte Lennie.
    Das flammende Licht des Sonnenuntergangs verschwand hinter den Berggipfeln, und Dämmerung schlich sich ins Tal. Halbdunkel legte sich um die Weiden und die Maulbeerbäume. Ein großer Karpfen tauchte an der Oberfläche des Teiches auf, schnappte Luft und versank geheimnis-voll wieder ins dunkle Wasser, während oben sich Ringe bildeten und immer größere Kreise zogen. Oben fegten die Blätter wieder dahin, und kleine Bäuschchen Weidenwolle schwebten nieder und landeten an der Oberfläche des Wassers.
    »Gehste jetz das Holz holen?« fragte George. »Gibt’n Haufen dort gradewegs hinter dem Maulbeerbaum. Ange-schwemmtes Holz. Nu geh und hol’s.«
    Lennie ging hinter den Baum und brachte einige trocke-ne Blätter und kleine Zweige. Er schichtete sie auf einen Haufen über der alten Asche und ging nochmals und holte immer mehr. Es war beinahe Nacht geworden. Ein Paar Taubenflügel glitt übers Wasser. George ging zur Feuer-stelle und zündete die dürren Blätter an. Die Flamme pras-selte durch die Zweige und breitete sich aus. George 15
    schnürte sein Bündel auf und förderte drei Büchsen Bohnen zutage. Er stellte sie ans Feuer, dicht gegen die Glut, doch so, daß die Flamme sie nicht berührte.
    »Genug Bohnen für vier Mann«, sagte George.
    Lennie beobachtete ihn über das Feuer hinweg. »Ich esse sie gern mit Ketchup«, wiederholte er gelassen.
    »Na, wir ha’m aber keins«, brauste George auf; »immer was wir nich ha’m, das willste. Allmächt’ger Gott, wär ich alleine, wie leicht könnt ich leben. Könnte Arbeit kriegen und schaffen, und keine Sorgen. Und Ende des Monats könnt ich meine fünfzig Dollar oder mehr einstreichen und zur Stadt gehn und damit machen, was ich wollte. Könnte die ganze Nacht ausbleiben. Könnte essen, wo ich wollte, im Hotel oder wo’s mir einfiele, und bestellen, worauf ich Lust hätte. Jeden verflixten Monat könnt ich das alles machen. Könnte eine Gallone Whisky haben oder in einer Spielhalle sitzen und Karten oder Billard spielen.« Lennie kniete und blickte über das Feuer auf den erbosten George.
    Sein Gesicht verzog sich vor Schrecken. »Und was hab ich?« fuhr George wütend fort. »Dich hab ich! Du kannst bei keiner Arbeit bleiben, und durch dich verlier ich jede Arbeit, die ich kriege. So schieb ich die ganze Zeit übers ganze Land. Und das is noch nich das Schlimmste. Du rennst ins Unglück. Du stellst schlimme Sachen an, und ich muß dich raushauen.« Seine Stimme erhob sich fast zum Schreien. »Du verrücktes Mannsbild. Dank dir macht man mir immer die Hölle heiß.« Er schlug um in den ge-zierten Ton kleiner Mädchen, wenn sie einander nachma-chen. »Wollte bloß das Kleid des Mädchens anfühlen –
    bloß es streicheln, als ob’s ’ne Maus wär – wie zum Teufel konnte se wissen, daß du bloß ihr Kleid anfühlen wolltest?
    Sie prallt zurück und du hältst sie fest, als wär’s wahrhaftig eine Maus. Sie schreit, und wir müssen uns in einem Abzugsgraben verstecken, und den lieben langen Tag su-16
    chen uns die Burschen, und wir müssen uns im Dunkeln rausschleichen und aus dem Staube machen. Und immer so was – immerfort. Wollt, ich könnt dich in einen Käfig stecken mit einer Million Mäuse und dich deinen Spaß haben lassen.«
    Sein Ärger war plötzlich verflogen. Er sah durch das Feuer hindurch Lennies angstverzerrtes Gesicht, und beschämt starrte er in die Flammen.
    Es war jetzt stockdunkel, aber das Feuer erleuchtete die Baumstämme und die gebogenen Äste zu ihren Häupten.
    Langsam und vorsichtig kroch Lennie um das Feuer herum, bis er dicht bei George war. Dann setzte er sich rücklings auf die Fersen. George drehte die Bohnenbüchsen um, so daß eine andere Seite zum Feuer gekehrt war. Er tat, als bemerkte er nicht, daß Lennie so nah bei ihm war.
    »George«, tönte es sanft. Keine Antwort.
    »George!«
    »Was willste?«
    »Ich habe nur Unsinn gemacht, George. Ich will gar kein Ketchup. Ich würde keins essen, wenn es hier neben mir stünde.«
    »Wenn welches hier wäre, könnste’s haben.«
    »Aber ich würde keins nehmen, George. Ich würde dir alles lassen. Könntest deine Bohnen ganz damit bedecken, und ich würde nix davon anrühren.«
    George starrte immer noch trübsinnig auf das Feuer.
    »Wenn ich denke, wie flott
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