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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen
Autoren: John Steinbeck
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ich’s ohne dich haben könnte, dann werd ich verrückt. Ich komm nie zur Ruhe.«
    Lennie kniete noch immer. Er schaute zum Fluß hin ins Dunkel. »George, möchtst du, daß ich weggehe und dich allein lasse?«
    »Wo, zum Teufel, könntest du hingehn?«
    »Könnte schon. Könnte dort in die Berge gehn. Irgendwo würd ich ’ne Höhle finden.«

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    »Ja was! Was würdste essen? Hast nicht Verstand genug, um was zu essen zu finden!«
    »Würde schon finden, George. Brauch kein feines Essen mit Ketchup. Würde in der Sonne liegen und keiner würde mir weh tun. Un wenn ich ’ne Maus fände, könnt ich se behalten. Keiner würde se mir nehmen.«
    George blickte ihn ruhig und forschend an. »Ich war gemein, was?«
    »Wenn de mich nich mehr willst, kann ich in die Berge fortgehn und ’ne Höhle finden. Kann jederzeit fortgehn.«
    »Nein, sieh, Lennie, ich hab bloß dummes Zeug geredet.
    Ich will doch, daß de bei mir bleibst. Das Elend mit den Mäusen is, daß de se immer umbringst.« Er hielt inne.
    »Weißte was, Lennie. Sobald es geht, geb ich dir ’n jungen Hund. Den würdste vielleicht nich töten. Der wär besser als Mäuse. Und du könntest ihn doller streicheln.«
    Lennie ließ sich nicht ködern. Er spürte seinen Vorteil.
    »Wenn de mich nich mehr willst, brauchst es bloß zu sagen, und weg bin ich dort zwischen den Hügeln – da kann ich für mich leben. Und keiner stiehlt mir keine Maus nich.«
    George antwortete: »Ich will, daß de bei mir bleibst. Jesus Christus, wenn de allein wärst, würd dich jemand nie-derschießen, als wärste ’n Präriewolf. Nein, du bleibst bei mir. Deine Tante Klara möcht’s nich ha’m, daß du alleine losliefst, selbst wenn se tot is.«
    Lennie sagte pfiffig: »Erzähl mir – wie früher.«
    »Was erzählen?«
    »Von den Kaninchen.«
    George ging hoch. »Du sollst mir nichts weismachen.«
    Lennie bettelte: »Komm, George. Erzähl mir. Bitte, George. Wie früher.«
    »Das macht dir Spaß, wie? – Meinetweg’n. Ich will dir erzählen, und dann woll’n wir zu Nacht essen.«

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    Georges Stimme bekam einen tieferen Klang. Er sagte die Worte rhythmisch her, als hätte er schon viele Male das gleiche gesagt. »Leute wie wir, die auf Farmen arbeiten, sind die einsamsten Geschöpfe auf der Welt. Haben keine Familie. Gehören nirgends hin. Sie kommen auf eine Farm und legen was auf die hohe Kante, und dann gehn se zur Stadt und hui fliegt das auf, was se verdient ha’m. Das nächste is, daß se’s auf ’ner andern Farm probieren. Se sehn nix vor sich.«
    Lennie war wie verzückt. »So is es – so is es. Nu sag, wie’s mit uns is.«
    George fuhr fort. »Nich so mit uns. Wir ha’m ne Zukunft. Wir ha’m jemand, mit dem wir reden können, das tut verflucht gut. Wir brauchen nich im Wirtshaus zu sitzen un unsern Verdienst in de Luft zu blasen, bloß weil wir nich wissen, wohin sonst. Wenn so’n Bursche ins Kittchen kommt, dann geht er zugrund, und jeder verdammt ihn. Aber mit uns is es nich so.«
    Hier fiel Lennie ein. »Nich so mit uns! Un warum? Weil
    … weil du für mich sorgst, und du hast mich, um für dich zu sorgen, und darum …« Er lachte vor Seligkeit. »Weiter, George.«
    »Du kannst’s auswendig. Kannst selber weiter machen.«
    »Nein, du. Ich hab ’n paar Sachen vergessen. Erzähl, wie’s sein wird.«
    »Also gut. Eines Tages schmeißen wir unsern Verdienst zusammen un kaufen ’n kleines Haus und ’n paar Acker Land und ’ne Kuh und ’n paar Schweine un …«
    »Un leben vom Fett der Erde«, rief Lennie aus. »Un ha’m Kaninchen. Weiter, George. Erzähl, was wir im Garten ha’m werden un von den Kaninchenställen un vom Regen im Winter und dem Ofen, und wie dick der Rahm auf der Milch is, daß man’n kaum schneiden kann. Erzähl davon, George.«

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    »Na tu’s doch selbst. Weißt es alles.«
    »Nein – erzähl du. Is nich dasselbe, wenn ich erzähle.
    Weiter, George. Wie ich de Kaninchen versorgen werde!«
    »Also«, sagte George. »Wir werden ’n großes Gemüse-beet ha’m und ’n Kaninchenstall und Hühner. Un wenn’s im Winter regnet, dann sagen wir: ›zum Teufel mit der Arbeit‹, un machen uns ’n Feuer im Ofen und sitzen drum rum un hörn auf den Regen, wie er aufs Dach platscht …
    Ach Quatsch.« Er nahm sein Taschenmesser heraus. »Hab keine Zeit mehr.« Er trieb sein Messer durch den Deckel der einen Bohnenbüchse, sägte diesen aus und reichte Lennie die Büchse. Dann öffnete er die zweite. Aus der Seitentasche zog er zwei
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