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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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… und jetzt klopfst du drei Mal lang und drei Mal kurz an die Dose. Das ist das vereinbarte Zeichen.“
    „Für was?“ Mein Gehirn hatte sich mittlerweile wegen Sauerstoffmangels und Überhitzung abgeschaltet, so dass die Fragen ohne mein Zutun aus meinem Mund herausplumpsten.
    „Für mein kleines Helferlein“, antwortete der Mann.
    „Ist das so was wie ein Morsezeichen?“
    „Weniger reden, mehr machen! Klopf gegen die Steckdose, dann kommt der Strom-Tom und hilft dir. Ich bin mir sicher, ihr werdet gleich einen Draht zueinander haben.“ Wieder dieses kehlige Lachen. „So … und jetzt sage ich tschüss! Und viel Erfolg! Ich melde mich dann wieder.“
    „Halt! Moment mal! Wo soll ich den Löffel denn suchen? Und wie kann ich Sie erreichen? Hallo? Wie heißen Sie überhaupt?“
    Die Fragen sprudelten aus mir hervor, doch es war zu spät. Ein hartes Klacken verkündete das Ende des Gesprächs und ließ mich allein in der stickigen Telefonzelle zurück. Mit all meiner Verwirrung und Frustration starrte ich den Hörer an, wovon dieser jedoch sichtlich unbeeindruckt blieb. Ich versuchte es bei der Steckdose, doch auch diese zeigte keine Reaktion. Einem plötzlichen Einfall folgend, wirbelte ich herum und starrte nach draußen. Die Straße, die Felder, der Bahnübergang: nichts hatte sich verändert. Nirgendwo standen lachende Menschen, die mit dem Finger auf mich zeigten, nirgendwo ein Kamerateam.
    Ich hängte den Hörer zurück auf die Gabel und hockte mich hin.

Das Ding aus der Dose

    Die Steckdose war gelb, aus Plastik, ziemlich verdreckt, was bestimmt mit der bodennahen Lage zusammenhing, und alles in allem völlig gewöhnlich. Ich sah mich ein weiteres Mal misstrauisch um und klopfte mit den Fingergelenken gegen den Plastikrand. Dreimal lang, dreimal kurz. Nichts passierte.
    Ich wollte gerade wieder aufstehen, als ich das Summen hörte. Ich beugte mich vor und hielt mein Ohr an die Steckdose. Das Summen schwoll schnell an. Es wurde lauter. Nein, es kam näher. Wespen, dachte ich panisch und wich zurück, fiel auf meinen Hintern und versuchte, mit den Beinen strampelnd, mich ins Freie zu drücken, weg von der Steckdose, aus der sich jeden Augenblick ein aufgebrachter Schwarm in die Telefonzelle ergießen würde. Das Summen gipfelte in einem hohlen Ploppen. Schlagartig war es wieder still. Hektisch keuchend sah ich mich um, konnte aber keine einzige Wespe entdecken. Alles war genauso wie vorher, nur das Summen war verstummt. Erschöpft drückte ich mit dem Rücken die Tür auf und legte mich der Länge nach hin. Über mir strahlte der blaue Himmel.
    „Na endlich“, rief eine helle Stimme. „Ich dachte schon, du würdest nie mehr klopfen.“
    Ich drehte den Kopf zur Seite und sah an meinen Beinen vorbei. Auf dem Boden der Telefonzelle stand ein kleines Männchen, nicht größer als ein Fingernagel. Es trug einen roten Pullover und blaue Hosen. Seine Haare standen wirr vom Kopf ab. Na klar, dachte ich, es kommt ja auch direkt aus der Steckdose. Ich beglückwünschte mich zu meiner Diagnose: Ich hatte zweifelsohne einen Sonnenstich erlitten.
    „Weißt du, wie eng es da drinnen ist?“, fragte das Männchen. Es sah so aus, als würde es die Hände vorwurfsvoll in die Hüften stemmen.
    „Also, das ist aber ein wirklich sehr, sehr ausgefallener Traum“, sagte ich und lächelte selig.
    „Nein, Dodo, das ist kein Traum“, widersprach das Männchen mit den wirren Haaren.
    „Ich weiß“, sagte ich. „Ich habe einen Hitzeschlag. Oder einen Sonnenstich. Eins von beiden. … Offen gesagt, kenne ich den Unterschied gar nicht.“ Ich lächelte und dachte nach, gab es aber gleich wieder auf. „Wenn ich mir einbilde, dass das ein Traum ist, geht‘s mir gleich viel besser. Woher kennst du eigentlich meinen Namen?“
    „Na, vom Chef natürlich. Ich bin übrigens der Strom-Tom.“ Das Männchen machte eine Bewegung, als würde es einen Hut abnehmen. „Ich bring dich in die Platinen-Sümpfe von Komatroma.“
    „Wohin?“
    „War nur ein Witz!“ Strom-Tom grinste breit, was bei der Relation von Größe und Entfernung natürlich unmöglich zu erkennen war. „Ich bringe dich zur Grenze.“
    „Was sind denn die Platinen-Sümpfe?“, fragte ich. Die Plauderei begann mir zu gefallen. Der Boden unter meinem Rücken war weich, mein Kopf war leicht und die Sonne schien warm in mein Gesicht. Außerdem musste ich die Zeit überbrücken, bis mich jemand finden und den Notarzt alarmieren würde.
    „Ach, das ist nicht so
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