Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich
Autoren: Caprice Crane
Vom Netzwerk:
mir sofort an, mir einen Gefallen zu tun.
    »Es sieht so aus, als würden Sie diesen Song mögen. Ich kann Sie wieder in die Warteschleife bringen«, bot sie an, aber ich lehnte ab.
    Sie erzählte mir, dass der Redding Harbor Leuchturm 1988 abgeschaltet und seitdem nicht mehr in Betrieb genommen worden war.
    »Warten Sie«, sagte ich. »Kann man den Strom denn wieder anstellen?«
    »Ja«, antwortete sie. »Wenn jemand das genehmigt.«
    Ich hatte schon oft versucht, mit Energieversorgern zu verhandeln. Wegen meiner Kreditkarten-Misere war mir der Strom so oft abgeschaltet worden, dass es von gegenüber so aussehen musste, als hätte ich ein Blinklicht in der Wohnung – aus und an, aus und an, mit strahlender Wiederholung.
    Aber Warteschleifen-Brenda und ich hatten irgendwie einen Draht zueinander, mein Mitsingen von »Because the night« hatte uns zusammengeschweißt.
    »Jordan, gibt es noch etwas, was ich für Sie tun kann?«
    »In der Tat, es gibt noch etwas«, sagte ich, als ich schließlich all meinen Mut zusammennahm.
    ***
    Abgesehen davon, dass ich alleine am Ende der Welt in einem einsamen Leuchtturm sitzen würde, in einer Gegend, wo es keinen Handyempfang gab, und es sehr wahrscheinlich war, dass Travis nicht auftauchen würde, gab es an der Idee nichts auszusetzen.
    Natürlich waren Todd und Cat dagegen.
    »Mir gefällt der Gedanke nicht, dass du da draußen mutterseelenallein irgendwo steckst«, sagte Todd vorsichtig.
    »Es gibt Schlimmeres, als alleine zu sein«, erwiderte ich.
    »Es ist wirklich romantisch, aber findest du nicht, dass es ein bisschen … extrem ist?«, fragte Cat sanft.
    »Ja, es ist extrem«, bestätigte ich.
    »Da sind wir uns also alle einig«, warf Todd ein.
    »Der Punkt ist«, erklärte ich, ohne näher auf Todd einzugehen, »dass ich die Chance haben möchte, Travis zu zeigen, wer ich bin. Um zu sehen, ob wir eine Chance haben. Ohne Lügen oder Gerichtsverhandlungen oder Krankenhäuser. Und vielleicht haben wir keine. Die alte Jordan hätte so was niemals getan. Sie hätte einfach eingesehen, dass sie zu viele Fehler gemacht hat und es jetzt verdient, deswegen zu leiden. Aber diese Jordan gibt es nicht mehr. Könnt ihr zwei mir in dieser Hinsicht den Rücken stärken?«
    »Sicher«, sagte Cat. »Sieh zu, dass du ihn findest.«
    Todd war still. Er atmete tief ein und aus. Dann sagte er schließlich: »Gut. Dann mach es.«
    ***
    Die Zugfahrt hinaus nach Redding Harbor ist nicht wirklich kurz. Er liegt so ziemlich am äußersten Zipfel der Insel. Man bekommt die Möglichkeit, eine Menge Songs auf dem iPod zu hören, bevor man mit dem konfrontiert wird, was jenseits der eigenen Ohren passiert.
    Ein kleiner Junge saß neben seiner Mutter – die Sneakers offen und seine dürren Beine baumelten – er hielt sich mit den Händen die Augen zu. Sie spielten Guckguck. Er bedeckte seine Augen und rief: »Wo ist Mami?« Dann nahm er seine Hände weg und kicherte, als er sie wiedergefunden hatte.
    Ich hatte dieses Guckguck-Spiel gehasst, als ich klein war. Das einzige Spiel, das ich noch mehr hasste, war Verstecken – wahrscheinlich aus demselben Grund. Bei Guckguck hat man einen kurzen Moment lang Angst. Wo ist deine Mutter? Und dann die Erleichterung.
Ah … da ist sie ja
. Ich fühlte mich nie wohl, weil ich nicht das Vertrauen hatte, dass sie ganz sicher und ohne Zweifel immer noch da sein würde, wenn ich meine Augen wieder öffnete. Also schummelte ich. Ich linste immer durch die Lücken zwischen meinen Fingern, um ganz sicher zu sein, dass mich niemand übers Ohr haute. Es hieß ja schließlich Guckguck, also war meine logische Schlussfolgerung, dass ich ruhig gucken konnte.
    Bei Verstecken war es etwas völlig anderes. Ich hasste es, weil ich immer dachte, ich sei es nicht wert, gefunden zu werden. Und ich hatte Angst, dass, wenn ich ein zu gutes Versteck wählte, sie einfach aufhören würden, nach mir zu suchen und mich an irgendeinem dunklen Ort sitzen ließen. Also suchte ich mir immer so einfache Verstecke, dass ich mich genauso gut mitten in den Raum hätte stellen können, mit einer Reklametafel vor dem Bauch.
    Und sicher war meine erst vorgetäuschte und dann tatsächliche Amnesie auch so eine Art Versteckspiel. Beim ersten Mal versteckte ich die Person, für die ich mich vor anderen und vor mir selbst schämte. Ich mochte nicht, wer ich geworden war, und ich wollte nicht, dass irgendjemand die alte Jordan fand, aber ich wollte, dass sie an ihrer Stelle die neue und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher