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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Konventionen nicht so gut geschaffen war, nahm ich – neben Schule und Studium – verschiedene Teilzeitjobs an, um finanziell imstande zu sein, die abgesteckten Grenzen unserer Gesellschaft zu verlassen. Manchmal war ich bis spät in die Nacht als Lagerarbeiter tätig, und am anderen Morgen drückte ich schon wieder die Studierbank. All diese Strapazen nahm ich aber gern auf mich, um hinaus in die Welt zu kommen: nach Afrika, Asien, Amerika, Australien – und vor allem in die Wüsten.
    Meine Eltern und auch manche Freunde begegneten meinen Bemühungen, in die Ferne und Fremde zu reisen, jedoch mit großer Skepsis. Immer wieder versuchte ich ihnen begreiflich zu machen, dass ich mir ein Leben voller Risiken und Unwägbarkeiten sehr viel eher vorstellen konnte, als am Schreibtisch irgendeines Großraumbüros zu verkümmern. Vor allem wollte ich eigene Ideen und Vorstellungen umsetzen. Damit meine ich nicht ein selbstbestimmtes Leben ohne Beschwernisse. Was mir vorschwebte, war die Freiheit zum eigenen Ich, zum eigenen Leben, um sich selbst auszuprobieren, um Erfahrungen und Erlebnisse zu sammeln, die einem dauerhaft bleiben – so wie ein Drahtseilakt unter hoher Zirkuskuppel, aufregend und gefährlich. Nur: Ich wollte keine Absicherung und kein gespanntes Netz.
    Das war es, was ich anstrebte. Doch schließlich musste ich feststellen, dass das Entkommen von zu Hause gar nicht so einfach war. Wieder und wieder musste ich mich rechtfertigten, ließ mich auf ermüdende Diskussionen ein, rannte zuweilen gegen Mauern aus Unverständnis an und war empört, als mir schiere Selbstsucht vorgeworfen wurde.
    Was mir schließlich half, war eine »Jetzt erst recht«-Durchhaltetaktik. Mein Ego steckte sich einfach Watte in die Ohren, und ich ließ mich nicht davon abbringen, meine Träume auszuleben.
    Auf meinen Reisen konnte ich mich dann zwar in den euphorischsten Gedanken verlieren, musste mich aber besonders in den Wüsten an so mancherlei gewöhnen: an Sand und Staub, Schotter und Geröll, Hunger und Durst, Skorpione und Schlangen, blendende Helligkeit und sengende Glut, die Fliegen, die mich piesackten, das Toben der Stürme, das Knirschen des Sandes zwischen den Zähnen – und daran, dass man nachts wie ein Tier schläft, niemals tief, immer bereit zu reagieren. Trotz all dieser Fremdartigkeit und der physischen wie auch psychischen Anstrengungen fühlte ich mich in der Wüste von Kargheit, Weite und Stille angezogen. Ich war elektrisiert von einer Welt, in der Freiheit kein Tagtraum war. Eine Welt, so komplex wie eine Galaxis, in der ich jenen unwiderstehlichen Drang verspürte, immer unterwegs zu sein, immer weiterzuziehen. Ein Drang, der den Nomaden der Wüste so eigen ist.
    Diese Nomaden waren es auch, die mir in jeder Hinsicht eine unbekannte und geheimnisvolle Welt erschlossen. Die archaische Lebensform der Beduinen, Araber, Samburu und Uiguren sprach mein Wesen mehr an als jede andere. So kam es, dass ich Jahr für Jahr mit einem Gefühl der inneren Befreiung – und einem bruchstückhaften Wortschatz verschiedener Sprachen – in das überschaubare und traditionelle Leben unterschiedlichster Nomadenstämme eintauchte, wo ich ein einfaches und bescheidenes Leben genoss, geprägt von der Beschränkung auf das Wesentliche. Keine Verklärung einer idealen Lebensform, die von Einfachheit bestimmt wird, sondern ein Dasein jenseits der übertechnisierten Zivilisationswelt, das mir die Augen für all die tausend Kleinigkeiten öffnete, die die Magie des Lebens ausmachen.
    Zudem traf ich in Ödland und Leere viele Menschen, die trotz ihres harten Daseins keine Bitternis zeigten. Stattdessen waren ihre Gesichter von Güte und Heiterkeit geprägt, als hätten sie den Sinn des Lebens erkannt. Und manchmal vermittelten sie mir sogar den Eindruck, als wäre dieses Leben für sie nicht Herausforderung oder Wagnis, sondern ein Geschenk.
    So begann ich die wüsten Welten mit den Augen eines Nomaden zu betrachten und war begeistert von dem, was mir widerfuhr. Ich genoss das Erwachen in der lichtdurchfluteten Morgendämmerung, wenn das Gleißen der Sonne den Sternenglanz vertrieb, genoss den Duft des frischen Minzetees, der auf einer kleinen Feuerstelle kochte, während ich mich aus dem Schlafsack wühlte, genoss das Backen eines Fladenbrots, das Blau des ungeheuren Himmels und die grünen Palmengärten der Oasen. Ich genoss das monotone Laufen in einem Kameltreck, genoss das fließende Dahinschreiten der Wüstenschiffe,
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