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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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die glutflüssigen Magmaströme erstarrt waren und erste Pflanzen die Vorzeitozeane verließen. Ihnen folgten vielfältigste Tiere, die als erste Landbewohner die Areale der Trockenheit eroberten. Auch heute noch sind 30 Prozent aller Kontinente von Einöden bedeckt, die sich über 31 Millionen Quadratkilometer erstrecken. Damit nicht genug: Unentwegt wachsen die Wüsten der Erde auf allen Kontinenten weiter und weiter. Jährlich gehen weltweit rund 200 000 Quadratkilometer Ackerland an die ariden Zonen verloren.
    Kein Wunder also, dass die ozeangleichen Naturräume der Einöden von vielen Menschen als unwirtlich und lebensfeindlich empfunden werden. Vor allem die Angst vor dem Unbekannten führt dazu, dass die Wüste häufig als Todeszone bezeichnet wird, besonders wenn man weiß, dass die Hitze – wie zum Beispiel in der iranischen Wüste Lut – bis auf 70 Grad Celsius ansteigen kann. Dagegen sinkt die Temperatur in der ägyptischen Wüste Sinai während der Wintermonate nachts weit unter null Grad, sodass sich eisige Kälte ausbreitet, die das Trinkwasser in den Kanistern gefrieren lässt.
    Gleichwohl mag ich die extremen Temperaturschwankungen der Wüsten, sind sie doch Ausdruck einer kompromisslosen Umwelt, die allen Lebewesen eine große Anpassung abverlangt. Zudem sind die enormen Temperaturschwankungen das prägendste Merkmal der Wüsten, denn sie formen das Bild der Einöde und verleihen ihr ihre bizarre Gestalt.
    Vor allem in den heißen Sommermonaten habe ich in den vulkanischen Felsmassiven der Sahara immer wieder ein Krachen und Bersten gehört, wenn gewaltige Gesteinsplatten oder mächtige Felsblöcke plötzlich aufrissen und auseinanderbrachen. Für solche Erosionsprozesse sind die Kräfte der Verwitterung verantwortlich. Denn wenn ein Gesteinsblock erst einmal einen Riss zeigt, dringt in den Nächten Feuchtigkeit ein, Mineralien quellen auf, verschließen die vorhandenen Risse wieder und erzeugen eine enorme Sprengkraft. So verwandeln Hitze und Kälte in großen Zeiträumen ganze Bergmassive, die schließlich zu Trümmerlandschaften zerfallen, ehe der Wind hinzukommt und ein natürliches Sandstrahlgebläse das härteste Gestein zerlegt und zu feinstem Sand zerschmirgelt. Es entsteht eine Landschaft, die eigentlich gar keine Landschaft mehr ist, sondern das Antlitz eines abweisenden, unnahbaren Planeten. Eine Welt, wie sie schon im 1. Buch Mose beschrieben wird: Und die Erde war wüst und leer .
    Ich liebe Sand. Er ist ein geheimnisvoller Stoff, der Endzustand aller Materie. Sand ist weder richtig fest noch flüssig. Ein Zwitterstoff, der gleichermaßen verzaubert und große Gefahren birgt: Sand bildet riesige Strandflächen, die wir als Badeplatz nutzen, er dient Kindern zum Spielen in der Sandkiste und dehnt sich in den Wüsten über weite Ebenen, wo er hohe Dünenmeere bildet. Ein Stoff zum Wohlfühlen, fein und geschmeidig, der, je nach Region, meist aus vielfältigen Mineralien besteht, die man unter dem Mikroskop betrachten kann: Mal sind es transparente, milchig trübe Quarzkörper, dann wieder ist es ein Gemenge aus Granit-, Basalt- und Flintsteinchen.
    Zudem sind Sandkörner Getriebene des Windes, die sich in stechende Ungetüme verwandeln können, wenn wilde Windfurien gelbe Sandbänder vor sich her treiben. Dann verdichten sie sich zu einem Staub- und Sandsturm, der die Wüste im Nu zu einem aufgewühlten Ozean werden lässt. Heftigste Böen peitschen lange Sandstreifen über hohe Dünenkämme, als würde weißer Schaum von den Wellen eines Meeres durch die Luft wirbeln.
    Und dann ist da noch der gefürchtete Treibsand, in dem Mensch und Tier versinken können, wenn die Sandkörner keinen »guten Kontakt« zueinander haben. Häufig treten Treibsande dort auf, wo der Sand durch eine unterirdische Quelle mit Wasser gespeist wird. Solche Stellen sind nur schwer zu erkennen, weil der sandige Boden fast immer fest wirkt. Erst unter Druckeinfluss verhält sich der Treibsand wie eine flüssige Substanz, in der ein Mensch rasch den Boden unter den Füßen verliert und versinkt. Da hilft auch nicht das Wissen, das aufgrund der spezifischen Dichte des menschlichen Körpers, die dem Wasser sehr nahe kommt, ein vollständiges Einsinken ausgeschlossen ist. Wer allein in einer Wüste bis zur Hüfte in einem Wasser-Sand-Gemisch feststeckt, hat ohne fremde Hilfe kaum eine Überlebenschance.
    Als mir mit den Jahren immer klarer wurde, dass ich für ein bürgerliches Leben mit seinen einengenden
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