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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Vertiko befestigen. Und die Handwerker müssen abbestellt werden – der Trainingsraum hat noch Zeit…“
    Blatt Nr. 47. Dreyer als Dreizehnjähriger nach einem Verkehrsunfall im Krankenhaus: Schädelbasisbruch. (Rekonstruktion nach einem Bericht von Frau Elisabeth Dreyer.)
    Langsam nur sinkt die Fieberkurve, sehr langsam. Stundenlang starrt er auf den bunten Fleck an der Wand. Der bunte Fleck ist ein gut gemachter Druck. Van Gogh, Blühender Pfirsichbaum, entstanden in Arles im April 1888, 73 x 59,5 cm; das Original befindet sich im Kröller-Müller-Museum, Otterlo.
    Die Ärzte geben Dreyer auf, doch er übersteht die Krise. Wenn er die Augen aufschlägt, fällt sein Blick auf den hellen Druck, fixiert er ihn, graben sich die schaumigen Farben fest in die Netzhaut. Pfirsichblüte – Vision des Fernen Ostens; am Fuß des Baumes schmelzender Schnee. Ein Hauch von Schwerelosigkeit, ein erster Frühlingstag voll zarter Liebe. Skizzenhaft die Pinseltechnik, hingetupft die transparenten Farben, ausgehende Pariser Periode. Eine lyrische Melodie klingt auf.
    Er betrachtet das Bild Stunde um Stunde, als winziger Wattebausch sieht er sich über die scheckige Fläche schweben, eine Pusteblume, wird eins mit dem Bild, verschmilzt mit den Farben. Tage vergehen so, Wochen; seine Phantasie findet immer neue Nahrung. Van Gogh. Van Gogh, Blühender Pfirsichbaum.
     
     
    Ich wich zurück, stieß gegen die Wand, sah eine Sekunde lang mein wächsernes Gesicht im Spiegel, die Augen weit aufgerissen. Ich brachte kein Wort heraus.
    Borkenhagen preßte sich hinter einen schmalen Mauervorsprung, der kaum Schutz gewährte. Schweiß stand auf seiner Stirn.
    „Sei doch vernünftig… Tu’s nicht! Ich will nicht sterben… So nicht!“
    Die große Standuhr hinter Dreyer begann zu schlagen. Einmal, zweimal…
    „Und wenn es – “ ich mußte mich räuspern – „und wenn es nun doch eine Fälschung ist?“
    „Es ist keine Fälschung!“
    Ich schloß die Augen.
    Da lachte Dreyer laut und schallend. „Ihr Idioten…“ Er verschluckte sich fast. „Das ist doch nur ‘ne Gaspistole!“
    Wir starrten ihn an.
    „Eine Gaspistole – nichts weiter! Aber diesen Denkzettel, den mußte euch mal einer verpassen… Ihr denkt wohl, ihr könnt Menschen jagen wie ein Stück Vieh – nur um eine sensationelle Story zu haben… Nee, nich bei mir!“
    Borkenhagen stieß eine Tür auf, fand einen Sessel, ließ sich hineinfallen. Ich folgte ihm. Dreyer bot uns Zigaretten an.
    „Und das Bild?“ fragte Borkenhagen nach einer Weile.
    „Ist eine gut gemachte Fälschung, eine Variante des Mädchen aus Arles und des Bildhändlers Tanguy. Das hab ich natürlich auf den ersten Blick gesehen – schließlich war mein Großvater Maler und Kopist; ich bin mit Bildern groß geworden.“
    „Und die Expertise?“
    „Sie werden lachen: ich hab gar keine!“
    „Und Nedomanski hat dir das Bild geschenkt?“
    „Ja, hat er. Er wollte von diesem Schierbaum nichts mehr in der Wohnung haben. Ich hab’s nur nicht gleich mitgenommen, weil ich bei meiner Mutter keinen Platz hatte – und er muß dann auf die Schnapsidee gekommen sein, diesem Kunsthändler einen Bären aufzubinden.“
    „Na ja – besoffen genug war er an dem Abend…“ murmelte Borkenhagen.
    „Und was ist mit dem Überfall auf Guido?“ fragte ich.
    Dreyer senkte den Kopf. „Das muß ich wohl ausbaden… Aber schuld sind Sie, daß ich die Nerven verloren habe! Ich hatte ja oft Streit mit Nedomanski und hätte ihn manchmal am liebsten… Ich hab auch mal ‘ne Schere nach ihm geschmissen und so… Und es gibt Leute, die wissen das. Da hab ich natürlich Angst gekriegt, daß Sie mich…Naja!“
    „Dann sagen Sie am besten gleich mal der Kripo Bescheid.“
    „Wird mir wohl nichts weiter übrigbleiben…“ Dreyer ging zum Telefon hinüber.
     
     
    Das müßte eigentlich der Schluß sein, mehr haben wir nicht ausgewalzt, Gott sei Dank. Da sind jetzt nur noch ein paar Zettel mit Notizen… Draußen wird es schon hell.
     
     
    Blatt Nr. 83. Gespräch mit Oberkommissar Mannhardt.
    M. rief an und berichtete, Walter Nedomanski habe sein Geständnis widerrufen. Sein Anwalt töne jetzt vor der Presse, Nedomanski sei unter den harten Methoden der Polizei zusammengebrochen; er habe sein Geständnis nur abgelegt, um einem drohenden Herzinfarkt zu entgehen. Der Arzt im UG habe auch prompt extrem hohen Blutdruck festgestellt. Morgen früh werde man Walter Nedomanski entlassen müssen, da inzwischen feststehe,
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