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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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daß er höchstwahrscheinlich unschuldig sei.
    Walter Nedomanski ist also wieder ein freier Mann! Ich werde ihn bald einmal aufsuchen und ihm zu seiner neugewonnenen Freiheit gratulieren.
    (Zusatz, drei Tage später: Besuch bei W. N. Kräuterschnaps wie gehabt, langes Gespräch, das keine neuen Gesichtspunkte ergibt. Beide ziemlich betrunken. N. schreibt mir einen skurrilen Tagtraum auf, in dessen Verlauf er seinen Bruder ertrinken läßt.)
     
     
    Blatt Nr. 84. Gespräch mit Henry Schumann.
    Schumann sagte mir, daß das bei Nedomanski gefundene Gemälde aller Wahrscheinlichkeit aus dem Besitz des berühmt-berüchtigten Otto Wacker stammen müsse. (Otto Wacker kommt aus Düsseldorf, wo er in seiner Jugend Bilder seines Vaters verkauft hat, eines Amateurmalers. Er wird später Kunsthändler und Tänzer. Ende der zwanziger Jahre verkauft er an die dreißig van Gogh-Bilder, die er von einem geheimnisvollen russischen Emigranten erworben haben will, an Berliner Kunsthändler. 1928 bezeichnet der van Gogh-Spezialist de la Faille die Mehrzahl der aus der Sammlung von Otto Wacker stammenden Bilder als van Gogh-Fälschungen, und auf Ersuchen der Kriminalpolizei verfaßt Prof. Ludwig Justi, Direktor der Nationalgalerie, ein Gutachten, in dem er zehn Bilder Wackerscher Herkunft mit Sicherheit für falsch erklärt. Namhafte Experten aber wie Meier-Graefe und der Holländer Bremmer sind weiterhin von der Echtheit der van Gogh-Gemälde überzeugt, um die es hier geht.) Schumann vertrat die Ansicht, daß mit dem Fund aus Nedomanskis Keller der alte Streit wieder aufflammen könnte. Seiner Meinung nach müsse jeder Nicht-Spezialist das fragliche Bild unbedingt für echt halten.
     
     
    Blatt Nr. 85. Prozeß gegen Dieter Dreyer. Notizen aus dem Gerichtssaal.
    Der Staatsanwalt beschuldigt ihn des Mordes an Max Nedomanski. Er habe das van Gogh-Gemälde, von dessen Wert und dessen Echtheit er zutiefst überzeugt gewesen sei, gestohlen, um es auf eigene Rechnung zu verkaufen. Als er seine Sachen abgeholt hat, um in das von der Großmutter ererbte Haus umzuziehen, sei es ihm ein leichtes gewesen, das Bild unentdeckt abzutransportieren. An Hand des Buches Die Wahl der Erben , das er kurz zuvor gelesen hatte (was er zugibt), habe er schließen können, welch makaberes Spiel Borkenhagen und der später Ermordete verabredet hatten. Bei seiner Ortskenntnis sei es eine Kleinigkeit für ihn gewesen, während des allgemeinen Durcheinanders nach dem Kurzschluß in das Schlafzimmer seines Arbeitgebers einzudringen und diesen mit einem Kopfkissen zu ersticken. Max Nedomanski sei ja der einzige Mensch gewesen, der etwas von dem als äußerst wertvoll zu betrachtenden Fund gewußt habe. Der Weg zum Reichtum hätte für Dreyer allein über die Leiche seines Freundes und Gönners geführt – und er sei diesen Weg bedenkenlos gegangen. Fünf Punkte sind es, auf die sich die Anklage stützt: 1. Dreyer habe Guido Winkler niedergeschlagen, um das Buch an sich zu nehmen und so die Spur zu verwischen, die zu ihm geführt hätte. – Er bestreitet das nicht, gibt aber vor, aus begreiflicher Angst gehandelt zu haben: Er habe gefürchtet, wegen des Bildes, das Nedomanski ihm ja geschenkt habe, in den Verdacht des Mordes an seinem Chef zu geraten. Er betont immer wieder, Nedomanski habe ihm das Bild geschenkt, und sie beide seien von Anfang an davon überzeugt gewesen, daß es sich um eine Fälschung handle.
    2. Dreyer habe versucht, Borkenhagens Laube in Brand zu stecken und ihn zu töten, als dieser ihm über den Kunsthändler Schumann auf die Schliche gekommen ist. Ein Alibi für die Tatzeit gebe es nicht. – Dreyer behauptet, zur fraglichen Zeit im Bett gelegen zu haben, was ihm nicht widerlegt werden kann. (Sein Verteidiger macht auch geltend, daß es – wörtlich – »geradezu idiotisch« wäre, bei einer Brandstiftung mit oder ohne Tötungsabsicht so »stümperhaft« vorzugehen.)
    3. Dreyers Angabe, Nedomanski habe das Gemälde von Anfang an für eine Fälschung gehalten, könne nicht stimmen, denn Nedomanski habe ja nachgewiesenermaßen später dem Kunsthändler Schumann mitgeteilt, bei ihm im Keller befinde sich ein echter van Gogh. – Dreyers Einwand geht dahin, daß Nedomanski – laut Aussage des Zeugen Borkenhagen – bei dem fraglichen Telefonat unter Alkoholeinfluß gestanden habe und sich wohl nur einen Scherz mit dem unfehlbaren Experten habe erlauben wollen.
    4. Dreyer habe überall in auffallender Weise auf die im Atelier lagernden
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