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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
Autoren: Christian Mähr
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Empfängnisbereitschaft wieder zurückkehren. Man(n) wird einwenden, es sei doch keine großartige Leistung, sich so eine Pille auszudenken. Dazu muss man wissen, dass bis weit ins 20. Jahrhundert hinein der bloße Gedanke an so etwas wie Geburtenkontrolle in breiten Gesellschaftsschichten verpönt, geradezu mit einem Tabu belegt war. Natürlich wurde von den gehobenen Klassen Geburtenkontrolle nach der einen oder anderen Methode praktiziert, aber darüber sprach man ebenso wenig wie über sexuelle Themen überhaupt. Den unteren Schichten wurden Kenntnisse über dieses Thema vorenthalten, was zu einem unbeschreiblichen Elend besonders in den Industriestaaten führte … Wer meint, er sei ungerechtfertigterweise zu gut drauf, der lese nur das Einleitungskapitel von Bernard Asbells »Die Pille«, und gleich wird es ihm (Fantasie im Ge genwert von zwanzig Cent vorausgesetzt) nicht mehr so gut gehen.
    Margaret Sanger stammte aus der Unterschicht, ihr Vater war Steinmetz, ihre Mutter brachte elf Kinder zur Welt, dazu kamen sechs Fehlgeburten – im überreichen »Kindersegen« sah sie schon sehr früh einen Hauptgrund für soziales Elend und die Unterdrückung der Frauen. Sie widmete ihr ganzes Leben dem Kampf um die Geburtenkontrolle, aus einer von ihr gegründeten Organisation ging »Pro Familia« hervor. Wegen ihrer Unterstützung eugenischer Ideen wurde und wird sie heute noch angegriffen.
    Vom anderen Ende des gesellschaftlichen Spektrums stammte Katharine McCormick, geborene Dexter. Sie kam aus dem amerikanischen »Adel«; ihr Urgroßvater war Kriegsminister der USA gewesen, sie selbst studierte als eine der ersten Studentinnen überhaupt Biologie am Massachusetts Institute of Technology und erreichte 1904 den Magistertitel. Im selben Jahr heiratete sie den Millionenerben Cyrus McCormick, Sohn von Stanley McCormick, der den Mähdrescher erfunden und ein Industrieimperium gegründet hatte. Schon zwei Jahre später brach bei Cyrus eine Geisteskrankheit aus, die 1909 zu seiner Entmündigung führte. Der Zeitgeist und auch Katharine sahen in Geisteskrankheit »schlechte Erbanlagen« – um deren Durchbruch zu verhindern, galt es, ein praktisches Verhütungsmittel zu finden. Sie widmete sich die nächsten Jahrzehnte der Pflege ihres Mannes, dem Frauenstimmrecht und der Geburtenkontrolle; dabei unterstützte sie die von Sanger gegründete American Birth Control League. Die Multimillionärin spendete zeit ihres Lebens riesige Summen für wissenschaftliche Forschungen.
    1951 suchten Sanger und McCormick gemeinsam den Pharmakologen Gregory Goodwin Pincus auf, der eine private Forschungseinrichtung in Worcester leitete. Ihr Vorschlag: Die Entwicklung der Pille. Bezahlen würde Katharine McCormick. Für den Anfang, meinte Pincus, brauche er 125000 Dollar. Die bekam er auch und in den nächsten Jahren insgesamt wohl zwei Millionen: Es gab für die Entwicklung der Pille niemals öffentliche Gelder. Dieses epochale Medikament wurde von einer reichen Philanthropin bezahlt, die damals schon sechsundsiebzig Jahre alt war. Pincus machte sich an die Arbeit. Er durchforstete die Literatur und kam bald auf die Arbeiten von Russell Marker.
    Der war ein begnadeter organischer Chemiker, gleichzeitig ein Sturkopf, wie man ihn selten findet. Marker hatte seine Doktorarbeit schon veröffentlicht, als sein Doktorvater drauf kam, dass dem jungen Wissenschaftler zur Promotion noch Kurse in physikalischer Chemie fehlten, die solle er schleunigst nachholen. Marker weigerte sich. Was er nicht einsah, sah er nicht ein. Er verließ die Uni ohne Doktortitel, wurde aber vom renommierten Rockefeller Institute engagiert. Dort war er sehr erfolgreich als Forscher tätig – bis er 1934 auf die Idee verfiel, sich mit Steroiden zu befassen. Seine Vorgesetzten waren nicht erbaut, Marker wechselte die Stelle und ging ans Penn State College, wo seines Bleibens aber auch nicht lange war, nachdem er die dortigen Verantwortlichen mit der Idee entsetzt hatte, seine Steroidforschung in Mexiko zu beginnen – in einem so rückständigen Land, hieß es, könne nie und nimmer organische Chemie betrieben werden. Marker verließ die Penn, ging nach Mexiko und gründete eine Firma zur Produktion von Steroiden. Warum gerade Mexiko?
    Weil in den dort wachsenden Wüstenpflanzen Stoffe vorkommen, die das erwähnte Vier-Ring-Steroidgerüst aufweisen, zum Beispiel das Diosgenin . Das enthielt zwar eine komplizierte Seitenkette, aber Marker hatte eine verblüffend einfache
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