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Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat
Autoren: Thomas Stompe
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geistig abnorme Rechtsbrecher vor.
    Zu beachten ist, dass das mit 1. Januar 1975 in Kraft getretene österreichische Strafrecht ein Schuld-Strafrecht ist. Strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt (§ 4 StGB). Bestehen nach der Festnahme eines Täters Zweifel an dessen Zurechnungsfähigkeit, ordnet der Untersuchungsrichter nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nach § 429 Abs. 4 der Strafprozessordnung die Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus während der Untersuchungshaft an. Zur Beurteilung der Schuldfähigkeit muss bis zur Hauptverhandlung zumindest ein weiteres, ausführlicheres Gutachten vorliegen, welches der Gutachter während der Hauptverhandlung zu erläutern hat. Dabei muss er sich im Besonderen zu Fragen der Diskretionsfähigkeit (Fähigkeit, Recht und Unrecht einer Handlung zu erkennen) und Dispositionsfähigkeit (Fähigkeit, das Verhalten zu steuern) äußern.
    Die Grundvoraussetzung für die Einweisung in die vorbeugende Maßnahme nach § 21 Abs. 1 StGB ist die Verübung einer mit einer Strafe von mehr als einem Jahr Freiheitsentzug bedrohten Straftat in einem die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand nach § 11 StGB: „Wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, handelt nicht schuldhaft.“ Das Rechtsmerkmal „Geisteskrankheit“ umfasst nach österreichischem Recht endogene und exogene Psychosen sowie hirnorganische Psychosyndrome. Unter den Begriff „Schwachsinn“ fallen nur besonders ausgeprägte Formen der intellektuellen Behinderung, die schwerwiegende Auswirkungen auf die Dispositionsfähigkeit haben. Das Rechtsmerkmal der „tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen“ bezeichnet unterschiedliche psychiatrische Zustandsbilder wie Intoxikationen durch Alkohol, Medikamente oder Drogen, weiters exogene Reaktionstypen, krankhafte und nicht krankhafte Dämmerzustände, Schlaftrunkenheit, Erschöpfung sowie schwere Affektzustände. Unter einer „anderen schweren, einem der vorgenannten Zustände gleichwertigen seelischen Störung“ sind schwere Verlaufsformen von Neurosen und Persönlichkeitsstörungen, Störungen der Impulskontrolle, organische und schizophrene Residualzustände sowie alkohol- und drogenbedingte Wesensänderungen zu verstehen.
    Eine weitere Voraussetzung für die Einweisung in den Maßnahmenvollzug ist eine ungünstige krankheitsbedingte Kriminalprognose. Die Kriminalprognose ist dann als ungünstig zu bewerten, wenn ohne Behandlung im Rahmen der vorbeugenden Maßnahme zumindest ein weiteres schweres Delikt zu befürchten ist. „Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.“ (§ 21 Abs. 1 StGB) Der Gutachter hat lediglich beispielhaft auszuführen, welche Delikte zu befürchten sind. Die Beurteilung der Schwere einer solchen möglichen Straftat obliegt dem Gericht.
    Die vorbeugende Maßnahme nach § 21 Abs. 1 StGB wird auf unbestimmte Zeit angeordnet, die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung muss einmal jährlich – auf Antrag auch öfter – vom regionalen Vollzugsgericht überprüft werden. Eine Entlassung (§ 47 Abs. 2 StGB) erfolgt in jedem Fall bedingt, die Probezeit beträgt – abhängig von der Schwere des Anlassdelikts – fünf oder zehn Jahre. Das Gericht kann nach § 54 StGB Weisungen unterschiedlichster Art erteilen (z. B. Fortsetzung einer psychopharmakologischen oder psychotherapeutischen Behandlung, Kontrolle der Alkohol- und Drogenabstinenz, Aufenthalt in einem Wohnheim). Im Falle eines Weisungsbruchs besteht die Möglichkeit des Widerrufs der bedingten Entlassung durch das Gericht. Seit 2002 ist eine Verlängerung der Probezeit möglich. Ebenfalls im Jahr 2002 trat das Rechtsinstrument der
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